Nach zwei Jahren Corona-Pause gibt’s im Schlosspark Stammheim wieder 24 neue Skulpturen zu genießen. „Abgearbeitet“ wurden auch Bewerbungen, die schon seit 2019 vorlagen. Der Verein „Kultur Raum Rechtsrhein” kann so mit einem Jahr Verspätung den 20. Geburtstag dieser Aktion feiern: 2002 hatte sie mit ihrem Engagement den Schlosspark aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.
Zu sehen sind übers ganze Jahr bei freiem Eintritt Kunstwerke, die sich mit dem Umfeld auseinandersetzen, den alten – oft vom Alter gefällten – Bäumen, den Wiesen und Büschen, dem Blick auf den Rhein, dem Park als Ganzes und seiner Nutzung. Das geschieht im Wechselspiel zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, mal heiter-poetisch, mal kritisch, mal im Spiel mit Form und Material, mal versteckt sich die Kunst, mal sucht sie die Provokation.
Kindermützen zu Riesentraube gebündelt
Da schaukelt etwa in einer Platane statt der stachligen grünen Nüsse eine riesige gelbe Traube. Deren Beeren entpuppen sich als Käppis, die Kinderköpfe vor Sonne schützen und von Kathrin Rabenhort regendicht angemalt wurden. Birgit Olzhausen greift die Tradition der Bilderstöcke auf und hat zwischen dem sich teilenden Stamm eines anderen Baums ein durchscheinendes Madonnenbild geklemmt. Und Stefanie Seiz-Kupferer hängt ein filigranes weißes Gespinst in einen Busch – ein riesiger Falter oder eine durchsichtige Blüte?
Eine umgestürzte Eiche hat der Bildhauer Herbert Labusga zu einem riesigen, vom Eichenlaub umrankten Skelett „geschnitzt“. Von ihm stammt auch das Beton-Ehepaar am Ende der Eingangsallee mit Blick zum Park: Es erinnert seit Beginn des Skulpturenparks an die Bewohner des im Krieg zerstörten gesprengten Schlosses.
Wann gibt’s wieder Wohnungen am Schlosspark?
Auf den ersten Blick etwas fehl am Platz, auf den zweiten witzig und originell der vierteilige Paravant aus Eichenholz, aus dem Beate Steven an Jugendstil erinnernde Ornamente herausgesägt hat. „Schöner Wohnen im Schlosspark“ nennt sie ihre Arbeit – und ja, hier möchte man schon gerne wohnen. Könnte man auch, wenn endlich das langsam benachbarte, langsam verfallende ehemalige „Ulrich-Haberland-Haus“ – ehemals ein Altenheim der nördlich gelegenen Bayerwerke – wieder für Wohnzwecken hergestellt wird.
Dazu “Solitär-Skulpturene”, die auf den Rasenflächen den Blick magnetisch anziehen. So die zwei ineinanderverschlungenen Steinschleifen von Eva Hermes und Clemens Junk. Die “Passage” von Christine Haller, eine große, an eine Nuss erinnernde Holzkugel, in die ein Durchblick hineingehauen wurde∞ auf der geriffelten Oberfläche spielt das Licht. Oder ein einsames, überdimensionales Streichholz: “Oft reicht ein Einzelner um die Welt zu entflammen” nennt Erik Rüffler sein Objekt – ein aktuelle Anspielung auf drohende Brandgefahr, sei es in den trockenen Wäldern oder in der Weltpolitik.
Leider waren auch schon Vandalen am Werk. So existieren von Evelin Marksteins großen roten “Urmohn” nur noch Alabasterkrümel. Und auch der “Rapport” von Christian Heuchel und Gunter Klang hat bereits einige seiner 64 Fahnen eingebüßt. Im Vorfeld hatte bereits ein polemo- und putinophiler Maniak die kriegskritische Arbeit “Gegenwehr” (2003 errichtet, versteht sie sich als Kritik am Angriff der USA auf den Irak) mit einem “Z” markiert. Dieses Zeichen gilt als Zustimmung für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und wurde inzwischen beseitigt.
Wer siegt im Dialog Kunst-Natur?
Neben den neuen Arbeiten kann man sich natürlich auch immer wieder an den alten erfreuen. Spannend zu sehen, wie sich die Natur die ein oder andere zurückerobert. So hat sich der Wurzelstrunk, aus dem vor genau zehn Jahren Tim Strunk ein Buch herausgemeißelt hat, inzwischen in einen kleinen Haufen aufgelöst. Und die vier Artisten aus Drahtgeflecht, die nach ihrer Eroberung eines kahlen Baumstammes vor 11 Jahren noch lange weithin sichtbar waren, werden bald im Blätterdschungel verschwunden sein.
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Foto 1: Jürgen Schön – Herberts Labusga erweist mit “Tote Eiche” einem umgestürzten Baum die letzte Ehre.
Foto 2: Jürgen Schön – Zart und filigran: Das Gespinst “Round” von Stefanie Seiz-Kupferer.
Foto 3: Jürgen Schön – Beate Steven träumt vom “Schöner Wohnen im Schlosspark”.