Wenn Werbung den Lebensstandard definiert
Diese Mischung aus strengen Bauhaus-Stil und ornamentalem Jugendstil gefiel dem puristischen Architekten und Designer Le Corbusier überhaupt nicht. Dekorationskunst – „Art Deco“ – beschimpfte er Mitte der 1920er Jahre diese neue populäre Richtung. Doch aus dem Schimpfwort wurde – wie ein halbes Jahrhundert zuvor aus dem Impressionismus – ein Qualitätsbegriff. Wovon man sich jetzt im Käthe-Kollwitz-Museum überzeugen kann.
Die über 100 Plakate, Druckgrafiken, Bücher und Zeitschriften hat das Hamburger Museum für Kunst- und Gewerbe ausgeliehen – die vierte Zusammenarbeit beider Häuser. Alle entstanden in Paris und stehen für Werbung und Verherrlichung von Luxus und Lebensfreude dieser Zeit. Modehäuser leisteten sich aufwändig hergestellte Kataloge für betuchte Kunden. Ein Kassenschlager waren auch die Titelblätter für vierseitige Notenhefte.
Plakate ungewohnten Ausmaßes
Plakate – größer als alles bisher Gewohnte – werben für teure Autos oder Golfurlaub in Monaco. Vor allem aber für die Auftritte von Revuestars wie Mistinguette oder Josephine Baker in den Pariser Cabarets. Paul Colin widmete diesen Stars einen Lithographie-Zyklus. Seine Bewunderung der Schwarzen Künstlerinnen und Künstler sowie deren Darstellung durch ihn und seine Kollegen hätte es heute schwer, Platz in der political correctness-Schublade zu finden. Und wenn George Barbier sich den sieben Todsünden widmet, kann man nur staunen, wie zeitgemäß und elegant er sie interpretiert.
Die Sicht auf Luxus und mondänes Nachtleben scheint nun gar nicht zu einem Haus zu passen, das das Werk einer Künstlerin pflegt, die auf der Seite der Unterdrückten für den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit steht. Käthe Kollwitz war aber auch eine Künstlerin, die eine Meisterin in der grafischen Drucktechnik war – und dann passt es. Denn ein Schwerpunkt dieser Ausstellung ist die Vorstellung des Pochoirdrucks. Den die Kollwitz im Übrigen nicht pflegte. So passt diese Ausstellung durchaus hierher.
Pochoir ist eine höchst aufwendige und komplizierte Technik. Dabei werden Schablonen ausgeschnitten, auf Papier als Bildträger gelegt und mit Farbe bestrichen oder besprüht. Wo sie aufgelegen haben, bleiben bei ihrem Abheben weiße Stellen. Bis zu 20 solcher Schablonen waren für die Illustrationen kostbarer Bücher in Mini-Auflagen nötig – und alles in Handarbeit. Auch hierfür ist ein Beispiel zu sehen.
Foto 1: MKG Hamburg/VG Bild-Kunst – Rene Vincent entwarf diese Werbung für ein Automodell von Peugeot 1928.
Foto 2: MKG Hamburg/VG Bild-Kunst – Eine Mischung aus Lithographie und aufwändiger Pochoirtechnik: Paul Colins Plakat für das Jazzorchester der Josephine Baker (1927).
Zeiten:
Bis zum 10. Januar 2021
Dienstag bis Sonntag:
11:00 – 18:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 6,00 €
Ermäßigt: 3,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Käthe Kollwitz Museum Köln
Adresse: Neumarkt 18-24, 50667 Köln
Webseite: www.kollwitz.de/art-deco
KVB:
Linien 3, 4, 7, 9, 16, 18: Neumarkt