Eine Lebensgeschichte unterhaltsam verpackt
Sie war Journalistin, Künstlerin und die erste Frau, die an der Universität Bonn im Fach Kunstgeschichte ihre Promotion ablegte. Durch ihren Bruch mit gesellschaftlich konventionellen Schreibweisen gelang es Luise Straus schnell, eine feste Instanz im Kulturjournalismus der 20er-Jahre zu werden. Und dieses Prinzip des Brechens althergebrachter Traditionen sollte auch ihr ganzes Leben bestimmen. Auf einer Stadtführung, beginnend an ihrem einstigen Elternhaus am Rathenauplatz, bekommt ihr nun die Gelegenheit, das Leben der ersten Frau des Surrealisten Max Ernst zu rekapitulieren – geführt von Luise Straus höchstpersönlich.
Schon klar: Die meisten Stadtführungen sind langweilig, sie ziehen sich wie Kaugummi in die Länge und irgendwann landet man eh in einer der am Straßenrand gelegenen Kaschemmen, statt dem monotonen Singsang der jeweiligen Stadtführerin oder des Stadtführers zu lauschen. Wie also gestaltet man eine Führung, bei der die Teilnehmer zunehmend an den Lippen der Vortragenden hängen? Man zieht das Ganze einfach im Sinne eines Trottoir Theaters auf.
Eine Stadtführung im Gewand eines Theaterstücks
Trottoir Theater, das ist Theater, das buchstäblich auf der Straße stattfindet und bei dem ihr als Zuschauerinnen und Zuschauer keine ruhige Minute verbringt. Von Station zu Station laufend erhaltet ihr so einen höchst unterhaltsamen Einblick in das Leben von Luise Straus, die – ganz nebenbei erwähnt – kurzzeitig gar die Leitung des Wallraf-Richartz-Museums übernahm und die durch Sonja Kargel verkörpert wird, gelernte Schauspielerin und passionierte Geschichtenerzählerin. In Zusammenarbeit mit dem Kölner Frauengeschichtsverein verfolgt sie mit dieser Art der Stadtführung ein demütiges Ziel: „Es gibt so viele interessante Persönlichkeiten, die im Laufe der Geschichte nicht entsprechend gewürdigt wurden und die eine nachhaltige Spur in der Stadt hinterlassen haben. Da gehört Luise Straus dazu, denn sie war weit mehr als die erste Ehefrau von Max Ernst.“ Und diese Geschichte wolle sie mit der Führung möglichst tiefsinnig und spaßbringend an den ‚Mann‘ bringen. „Ich liebe seit jeher die Schauspielerei“, sagt Sonja, „als mir dann die Idee für die Führungen kam, war für mich schnell klar, dass sie nur von einer ‚echten‘ Luise Straus geführt werden können.“
Insbesondere der beharrlich unangepasste Charakter der in Köln geborenen Luise Straus habe es ihr angetan – und der kam nicht nur in ihren Artikeln zur Geltung. Als Mitbegründerin der Köln Dada-Szene zeigte sie sich – mit traditionellen Werten brechend und Tabubrüche begehend – für den ein oder anderen gesellschaftlichen Aufschrei verantwortlich, denn die ersten Ausstellungen wurden teilweise von der Polizei unterbunden, eine Person erlitt gar einen Tobsuchtsanfall. Zu primitiv, zu dilettantisch, so der Vorwurf gegenüber den ersten kölschen dadaistischen Ausbrüchen. „Diesen unangepassten, freidenkenden Charakter übernehme ich natürlich auch während der Führung“, verspricht Sonja. „Die Brillanz, mit der sie ihre Texte formulierte und mit der sie immerzu gegen gesellschaftliche Konventionen schoss, all das ist auch ein wichtiger Teil unseres Trottoir Theaters.“
Die Spur von Luise Straus verlor sich im Jahre 1944. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann für sie, die jüdischen Glaubens war, ein Leben aus dem Koffer. Im Süden Frankreichs, in Manosque, von der Gestapo festgenommen, gehörte sie zu den letzten, die in Richtung Auschwitz deportiert wurden. Ein unrühmliches Ende für eine Frau, die mit ihrer Arbeit die Welt ein kleines Stück aus den Angeln hob. Und die damit die Grundlage für eine Stadtführung schuf, die ganz sicher nicht am Tresen enden wird…
Foto: LVR Museum Engelskirchen – Sonja Kargel
Zeiten:
21. Juni 2020:
14:00 Uhr
Dauer:
2 Stunden
Preise:
Teilnahme: 10,00 €
Anmeldung unter: sonjaka@gmx.net
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Sonja Kargel/Kölner Frauengeschichtsverein
Telefon: 0179 – 469 52 48
Wo es los geht: Rathenauplatz 9, 50674 Köln