Nichts ist normal
Leonie Schlüter sitzt in Quarantäne. Genau genommen ist es ihre Frau, die als Kontaktperson der Gruppe 1 unter die 100%-ige Ausgangssperre fällt, Leonie sitzt die Zeit jedoch gemeinsam mit ihr aus. Als freischaffende Musikerin, Regisseurin und Autorin bedeutet die Corona-Krise für sie eine Katastrophe. Ausgefallene Veranstaltungen sorgen auch bei ihr für eine klaffende Lücke im Portemonnaie, Projekte sind auf Eis gelegt und Wiederaufnahmen sind noch nicht in Sicht. Wie geht die freie Künstlerin mit dieser ungewohnten Situation um? Und inwiefern hat sich ihre Arbeitsweise nun verändert? Wir haben mit ihr gesprochen.
Hallo Leonie, wie geht es Dir?
Ja, ist scheiße ne. Man kann sich schon schöneres vorstellen, als in einer Ausgangssperre zu verharren. Aber wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben hier in Solingen einen eigenen Garten, in dem verbringen wir viel Zeit. Wir wohnen außerdem in der Nähe eines Naturschutzgebiets und da ist das Gassigehen mit unserem Hund eine gelungene Abwechslung. Da läuft man zur Zeit fast eh nie anderen Personen über den Weg. (lacht) Außerdem bin ja nicht ich zur Quarantäne verdonnert, sondern meine Frau. Ich unterstütze sie da nur.
Also ist das Rausgehen für dich ja kein Problem. Solange man den gebotenen Abstand einhält, darf man ja auch gerne an die frische Luft.
Ich vermeide das aber so weit es geht, alleine schon aufgrund des Risikos für andere. Wir haben noch keinen Test absolviert, wir wissen also nicht, ob wir mit Corona infiziert sind. Uns geht es soweit aber gut. Mein Schwiegervater kümmert sich um die Einkäufe, da müssen wir uns also keine Sorgen machen. Wir sind bestens versorgt.
Geld wird knapp
Und wie vertreibt ihr euch die Zeit? Man könnte meinen, als freie Künstlerin mangelt es in solch einer Situation nicht an Inspirationen.
Das stimmt (lacht) Wir sind viel im Garten, malen, nähen und schneidern. Wir versuchen die uns nun gegebene Zeit so gut wie möglich zu nutzen. Langeweile kommt keine auf, bisher zumindest nicht. Dabei hilft, dass ich zur Zeit mit einer Schauspielkollegin an einer Online-Galerie arbeite, was recht zeitintensiv ist. Sie kümmert sich um das Design der Seite, ich mich um die Vernetzung der Künstler und um die Katalogisierung der Bilder. Und da ich ja auch selber schreibe, texte ich im Moment ziemlich viel. Das macht viel Spaß und lenkt ab.
Du bist als Musikerin und als Schauspielerin tätig. Jetzt bekommt man ja von allen Seiten mit, dass gerade freie Künstlerinnen und Künstler in finanzielle Nöte geraten. Die meisten haben keine sonderlich nennenswerten Rücklagen, staatliche Hilfen, wie beispielsweise das Kurzarbeitergeld für normale Angestellte, gibt es nur begrenzt. Wie kommst du damit klar?
Nicht gut. Wir haben das Glück, dass ich, kurz bevor das hier alles anfing, an einem theaterpädagogischen Projekt mitgearbeitet habe. Da habe ich ganz gutes Geld verdient. Das ist jetzt aber auch schon fast weg. Da meine Frau auch als Schauspielerin arbeitet, wird das gerade alles ein bisschen knapp. Aber wir schaffen das schon, die Hauptsache ist unser Hund hat genug zu essen, wir kommen schon irgendwie durch.
Alle Tätigkeiten weggebrochen – Kunst machen geht trotzdem irgendwie
Liegen bei dir denn beide Tätigkeiten komplett brach?
Sozusagen. In der Musik und in der Schauspielerei liegt mein Herzblut. Es tut weh, dass diese Tätigkeiten solch einen Bruch erleiden mussten. Es gibt zum Glück viele Initiativen, durch die es uns weiterhin möglich ist, Musik zu machen und an die Leute zu bringen – die Seite dringeblieben.de zum Beispiel. Eine Bekannte hat zudem eine Plattform ins Leben gerufen, auf der Musik unterschiedlichster Bands gestreamt wird. Da kann sich dann jeder melden, der Interesse hat und der etwas veröffentlichen will. Wir hatten als Band auch schon ein Album aufgenommen, ein provisorisches zwar, aber wieso sollten wir es nicht jetzt veröffentlichen? Die Zeit scheint gekommen.
Wie kommt ihr denn mit eurer Band derzeit zum Proben? Klappt das?
Naja, halbwegs. Wir machen es ganz analog: Wir schicken das Equipment zwischen uns hin und her und jeder nimmt dann seinen Part auf.
Per Post oder wie?
Ja genau. Das ist ein bisschen umständlich, aber es macht auch so Spaß und so kommen wir trotzdem zusammen – dann vervollständigen wir es eben online. Und jetzt müssen wir halt schauen, wie sich die ganze Sache entwickelt und einfach das Beste daraus machen.
Foto: Leonie Schlüter
Update: Leonie und ihre Frau sind mittlerweile wieder aus der Quarantäne raus – Tests waren negativ. Also mal gute Nachrichten nebenbei!