Was der Staat nicht schafft, das schafft halt das Hänneschen. Halbwegs zumindest. Denn die Digitalisierung ist im Stockpuppentheater am Eisenmarkt angekommen und sie ist auch dringend nötig. Emseralda, eine Schnee-Eule und die zuständige Wunschzettelbeauftragte, hat ein bisschen zu viel genascht und aufgrund des zusätzlichen Gewichts kann sie keine schwere Last mehr tragen. Und nun ist der Wunschzettelfluss zwischen Himmel und Äd unterbrochen und die Knollendorfer laufen Gefahr, dass ihre Wünsche und damit das gesamte Weihnachtsfest untergehen. Wäre das nicht schon Unjlöck genug, torpediert Fitzebitz, ein wütender Troll, die Weihnachtsvorbereitungen und holzt im Knollendorfer Bösch alle Tannenbäume um. Finden Hänneschen und Co. einen Weg, das Fest zu retten?

Leck mich en de Täsch! Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn überall allerlei Plätzchen und andere Köstlichkeiten rumstehen und einen geradezu dazu auffordern, schnell und heimlich verspeist zu werden? Emseralda, die ein wenig an Harry Potters Schnee-Eule Hedwig erinnert, kann davon ein Lied singen, denn sie ist zu dick geworden, um zur Erde zu fliegen und die ganzen Wunschzettel der Pänz einzusammeln – und, das ist das schwerwiegende Problem an der Sache, sie wieder in den Himmel zurück zu transportieren. Gott sei Dank ist Emseralda ein wenig schusselig, denn zufällig landet Hänneschens Wunschzettel in ihrem Schnabel und ohne ihn wäre den Engeln im Himmel der Schlamassel gar nicht erst aufgefallen! Auftritt von Mechanikus also, dem Handwerker-Engel, welcher in weiser Voraussicht den Turbowulk gebaut hat, eine Maschinerie aus Wolke und Formel-1-Wagen, und der in der Not gerade wie gerufen kommt. Und so wird der Engel Marzipanus zur Unterstützung Emseraldas zur Äd gesandt um die fehlenden Wunschzettel, also die der gesamten Menschheit lol, in Windeseile einzusammeln, damit das Weihnachtsfest nicht ins Wasser fällt. Problem gelöst?

Denkste. Auf der Erde treffen sie auf Hänneschen und Co., die es sich gerade zur Aufgabe gemacht haben, den Troll Fitzebitz davon abzuhalten, seinen Groll und Hass auf das bevorstehende Weihnachtsfest zu entladen und so den Knollendorfern alles zu vermiesen. Der Troll, der erinnert dabei stark an den Grinch (wahrscheinlich ist er auch von ihm inspiriert), und wer möchte schon auf Weihnachten verzichten? Ich zumindest nicht und so bin ich froh, dass sich die Knollendorfer den Schrecken des Wüterichs stellen und alles in die Waagschale werfen. Denn ein Jahr ohne Weihnachten, ohne die himmlische Stimmung, die in Köln allerorts herrscht, ohne den Duft gebrannter Mandeln und ohne die weiße Schokolade mit Baileys und Krokant am Heumarkt, was wäre solch ein Jahr schon wert? Genau: Nichts.

Weihnachten ist mir also wichtig, das kommt wahrscheinlich raus. Ich lege zwar nicht viel Wert auf Geschenke (Meine Familie und ich wichteln und wir verzichten damit auf einen großen, teuren Geschenkewahn), und doch gehört dieser Akt bei alledem ja irgendwie dazu. Dass darauf auch die Knollendorfer nicht verzichten wollen, ist einleuchtend, auch solch großmäuligen Konsumkritikern wie mir. Und doch ist der Kern der Aufführung ein ganz anderer, auch wenn es die ganze Zeit nur um die nicht zustellbaren Wunschzettel zu gehen scheint. Kern des Ganzen (Vorsicht, jetzt wird es so richtig schön schnulzig) ist nämlich nur eines: Liebe. Liebe, die Gemeinschaften formt und durch die ein Miteinander denn ein Gegeneinander entsteht, die Grenzen zur Hölle fahren lässt und die auf Empathie und Verständnis setzt. Und dem kann sich nicht einmal der griesgrämige Fitzebitz erwehren. Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise das Backen von sinnesbetörenden Plätzchen (!!), schweißen den Grinch-Verschnitt, die Knollendorfer und die zur Rettung geeilten Engel zusammen und so entsteht das, was zur Weihnachtszeit am Wichtigsten ist: Eine Gemeinschaft, die jeden in sich aufnimmt. Selbst einen miesepetrigen Troll. Und die Moral von der Geschicht’? Die könnt ihr euch sicherlich denken…

Business as usual also: Das macht Spaß, die Erzählung ist unterhaltsam umgesetzt und im Publikum sorgte sie für pure Erheiterung. Meine Sitznachbarin, die nach eigener Aussage zum ersten Mal im Hänneschen war, war anscheinend komplett hin und weg. Das zumindest teilte sie mir, ohne dass ich nachfragen musste, mit und aufgrund ihres ausschweifenden Lachens glaube ich ihr das, ohne es in irgendeiner Weise hinterfragen zu wollen. Die Kulissen, drei an der Zahl, waren einfach Wow und sie versprühten vorweihnachtliche Stimmung und geballte Vorfreude auf die Weihnachtsmärkte. Die Musik und die selbst geschriebenen Lieder, inklusive einer verstörend witzigen Einlage der Hänneschen-Band, waren atmosphärisch auf den Punkt und animierte den Zuschauerraum durchweg zum Mitsingen. Die einzigen Buhrufe, die heimste der Troll Fitzebitz ein, aber das auch völlig zu Recht!!1!!

Toll. Und was hat jetzt die Digitalisierung damit zu tun? Na, würden die Pänz (und wir älteren Gesellen) einfach uns bekannte Messengerdienste zur Übermittlung unserer Wünsche nutzen, dann wäre Hedwig, äh Emseralda, gar nicht in die Bredouille gekommen zuzugeben, dass ihre Diät nicht den gewünschten Erfolg hatte! Aber wir wollen ja nicht alles verdigitalisieren, oder? Was wäre Weihnachten nur ohne den auf Papier geschriebenen Wunschzettel? Außerdem: Die Dinger wären im Funkloch sowieso hängen geblieben…
Wir wünschen euch viel Spaß und eine besinnliche und feuchtfröhliche (Vor-)Weihnachtszeit!   

Fotos: Stadt Köln/Hänneschen-Theater

P.S.: Ihr wollt echte Schnee-Eulen sehen? Dann schaut doch einfach bei der Greivogelschutzstation Leidenhausen vorbei! Hier findet ihr mehr Informationen!

Zeiten:

noch bis zum 21. Dezember 2019!

Mittwoch – Sonntag:
15:00 und 17:30 Uhr

Preise:

Leider schon ausverkauft!

Tickets für das Weihnachtsmärchen in der nächsten Spielzeit ab dem 1. April 2020 erhältlich!

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Hänneschen-Theater
Adresse: Eisenmarkt 2-4, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 258 12 01
Webseite: www.haenneschen.de
KVB: Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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