Eine Spielzeit unter unvorhersehbaren Vorzeichen

Corona scheint einigermaßen im Griff zu sein. Doch die Theaterwelt hat in den letzten anderthalb Jahren gelernt, skeptisch zu sein. Im Umgang mit dem Virus und im Umgang mit damit zusammenhängenden Verwaltungsvorschriften. So plant – bei vorsichtigem Optimismus – das Freie Werkstatt Theater (FWT) die kommende Spielzeit 2021/22 nur in Halbzeitschritten. Wie das aussieht, stellten jetzt Gerhard Seidel und Guido Rademachers vor. 

Nur zwei eigene Produktionen sind für Herbst und Winter geplant. Die Premiere der ersten sollte schon in diesem Frühling über die Bühne gehen, alles war bereit – doch die dritte Corona-Welle kam dazwischen. Nun wird „Die Lage“ von Thomas Melle am 9. Oktober erstmals aufgeführt. Thema: die Wohnungsnot in Deutschland. Das zweite Stück steht noch nicht fest. 

Die Zusammenarbeit mit freien Gruppen ist vorrangig

Geprägt wird der Spielplan vor allem – auch im nächsten Jahr – von der Kooperation mit freien Gruppen und Ensembles. „Da gibt es einen ungeheuren Produktionsstau“, beschreibt Seidel die Situation. Denn neue Stücke geprobt wurden trotz Corona und fehlender Auftrittsmöglichkeiten. 

Hier stellt das FWT seine beiden Bühnen zur Verfügung. Außerdem werden neue Kommunikationsformen wie Videokonferenzen ausprobiert, die während der Pandemie fast zur Routine wurden. Auch im öffentlichen Raum wird es verstärkt Auftritte geben. 

Subbotnik ist mit zwei neuen Stücken dabei 

Und das steht auf dem Programm: Auf dem Chlodwigplatz wird am 10. September die soziale Audio-Plastik „Der Kreis“ von Philine Velhagen vorgestellt, eine Kooperation mit Drama Köln. Subbotnik präsentiert – wo steht noch nicht fest – am 15. September die Performance „Alles was fehlt“. Am 23. Oktober hat die Multimedia-Performance „Let’s sing another Song Boys (and Girls!)“ über das Phänomen des Protests Premiere. Antike Theaterformen greift im November die Performance „Chöre des Spekulativen“ auf. 

pulk fiction ist mit seinem Kinder- und Jugendtheater gleich zwei Mal dabei. Die Videokonferenz „Spiel dich erwachsen“ eröffnet am 7. September die Spielzeit. Im März folgt „(Wer war) Robin Hood?“ Für Mai ist mit „TransSENSUALITY“ eine „theatrale Virtual-Reality-Installation“ in Kooperation mit Freihandelszone-Enselmblenetzwerk Köln geplant. 

Wiedersehen mit erfolgreichen Produktionen 

Aus dem Repertoire übernommen werden „Revolt. She said revolt again“, „The making  of“, „Für immer schön“ (für ihre Hauptrolle erhielt Fiona Metscher 2018 den Kölner Theaterpreis als beste Darstellerin) und Dauerbrenner „Der Nazi und der Friseur“. Außerdem „Bachmann“ und „Lenz“ – die komplette Trilogie mit „Werther“ an einem Tag ist für Februar nächsten Jahres geplant. 

Auch das Alten-Theater am FWT meldet sich zurück. So am 19. September mit einem Spaziergang durch den Römerpark in der Südstadt oder einer Führung über den Südfriedhof am 26. September. Geplant ist ein Podcast, für die erste Folge wurden Menschen zwischen 6 und 89 Jahren gefragt: „Weißt Du, was Einsamkeit ist?“ In Vorbereitung ist eine neue Produktion mit dem Titel „Im Wandel“.   

Mehr Verwaltungsarbeit als vor Corona 

„Die Zeit der Pandemie mit ihrer wiederholten Schließung der Theater war schwierig“, blickt Hausherr Seidel zurück. Wirtschaftlich habe man sie aber relativ gut überstanden.  Auch wenn oft nur vor 20 statt wie sonst vor über 100 Menschen gespielt werden durfte. Was ihn immer noch verwundert: „Die administrative Arbeit war mehr als sonst.“ Das habe unter anderem an dem Aufwand für die Anträge auf Kurzarbeitergeld gelegen. Stolz verweist sein Vorstandskollege Rademachers darauf, dass die Schauspieler für jede Probe und Aufführung sozialversicherungspflichtig angestellt waren. Geholfen hätten auch Förderprogramme von Stadt, Land und Bund. Als wichtige Erkenntnis aus der Vergangenheit nennt er die gewachsene Verbundenheit von Publikum und Theater. 

Diese soll durch die neue Stelle für „Audience Development“ verstärkt werden, finanziert wird sie für ein Jahr von der Rheinenergie-Stiftung Kultur. Aufgabe: neue Besuchergruppen – insbesondere ein diverseres und jüngeres Publikum – und deren Wünsche erschließen. 

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Foto 1: Jürgen Schön – Gerhard Seidel und Guido Rademachers (r.), die Hausherren im Freien Werkstatt-Theater blicken verhalten optimistisch in die nächste Spielzeit. 

Foto 2: Dieter Jacobi – Das Bühnenteam der Produktion „Die Lage“ steht seit diesem Frühjahr in den Startlöchern – am 9. Oktober ist endlich Premiere. 

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