Picasso, nur besser

Kommunist, Friedenskämpfer und Ankläger von Kriegsverbrechen: So ordnete die DDR Pablo Picasso in die Kunstgeschichte ein. Sein Kunstverständnis war eher Nebensache. Zerstörer traditioneller Malerei und Erfinder einer neuen Formensprache: So sah man ihn mit etwas anfänglichem Widerwillen in der jungen Bundesrepublik. Das Politische seiner Kunst wurde weggeblendet – so wie in der DDR seine künstlerische „Dekadenz“. Das Museum Ludwig widmet diesem Aspekt des „Kalten Krieges“ jetzt die Ausstellung „Der geteilte Picasso“, die dem Blick auf Picasso neue, gründlich recherchierte Facetten hinzufügt. 

Zwei Positionen zu Picasso, dem wohl einflussreichsten und erfinderischsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Eigentlich eine Binse, dass diese abhängig sind vom politischen, gesellschaftlichen und individuellen Hintergrund seiner Betrachter. Doch selten wurde dies so pointiert und am Beispiel Picasso so fundiert unter die Lupe genommen wie in dieser Ausstellung. 

Ausstellungsarchitektur mit pädagogischem Hintersinn 

Nicht zuletzt durch die eigenwillige Ausstellungsarchitektur von Eran Schaerf, die der Absicht von Kuratorin Julia Friedrich Gestalt gibt. Er stellt die Räume voll mit Lattengerüsten, in denen die Bilder so präsentiert werden, dass der Besucher um sie herumgehen und so buchstäblich seinen Blickwinkel, seine Sichtweise verändern kann. 

Hier kann das Museum Ludwig dank der Schenkung von Peter und Irene Ludwig auf die eigene Picasso-Sammlung zurückgreifen. Mit rund 900 Objekten ist sie hinter Paris und Barcelona die drittgrößte in einem Museum. Hinzu kommen in dieser Ausstellung Leihgaben großer Häuser. Schließlich rund 150 historische Dokumente wie Presseartikel, Ausstellungsfotos, Plakate, Bücher, Briefe, Ton- und Filmaufnahmen, Leserbriefe, die zeigen, wie Picasso wahrgenommen wurde.  

Der politische Hintergrund von „Guernica“ war kein Thema 

Das hierzulande bekannteste Antikriegsbild Picassos ist sicherlich „Guernica“, 1937 entstanden als Reaktion auf die Zerbombung der spanischen Stadt während des Bürgerkriegs durch die deutsche Legion Condor, die das faschistischen Franco-Regime unterstützte. In den frühen 1950er Jahren in Deutschland ausgestellt, wurde dieser politische Hintergrund verschwiegen, wurde es als Mahnung vor künftigen Kriegen gepriesen. Die APO griff es in den 1970er Jahren als Plakat gegen die Berufsverbote auf und fügt den Spruch hinzu: „Dieser Künstler hätte an einer westdeutschen Hochschule nicht lehren dürfen“. 

Weniger bekannt sind im Westen seine Bilder „Leichenhaus“ – entstanden 1945 als Reaktion auf Foto-Dokumente aus dem KZ Nutzweiler Struthof – und „Massaker in Korea“, eine Anklage kolonialistischer Unterdrückung durch Frankreich. 

Picassos Taube wurde zum Sozialistischen Friedenssymbol 

Kein Wunder, dass Bertold Brecht von den Arbeiten „seines Bruders“ überzeugt war. Er übernahm Picassos Friedenstaube als Symbol für sein (Ost-)“Berliner Ensemble“. Sie zierte nicht nur im Mega-Format den Bühnenvorhang, sondern auch den kleineren für Tourneen (er ist in Köln zu sehen) und immer wieder Plakate. Auch für Film-Festivals warb sie – ein ideales Feld für ideologische Auseinandersetzungen in Zeiten des Kalten Krieges. 

In der frühen BRD dagegen wurde Picassos politische Kunst verdrängt, er wurde zum „unpolitischen“ Künstler erklärt. Auch mit seiner Formensprache tat man sich zunächst schwer. Als Köln für seine Museen 1955 den ersten Picasso kaufte, war der Protest groß. 

Eine Hommage auch an das Stifterehepaar Irene und Peter Ludwig 

Picassos allgemeine Wertschätzung änderte sich nicht zuletzt durch Peter Ludwig, der seine erfolgreiche Doktorarbeit über den Spanier geschrieben hatte, ohne bis dahin ein Original gesehen zu haben. Er begann Picasso zu sammeln, stellte auch DDR-Institutionen Arbeiten zur Verfügung. Auch dieser völkerverbindende Aspekt des Aachener Schokoladenfabrikanten und seiner Frau Ehefrau Irene und später deren Stiftung ist ein Erzählstrang in dieser spannenden „interaktiven“ Ausstellung. 

Die Webseite der-geteilte-picasso.de begleitet die Ausstellung digital. Hier ist auch der 50-Minuten-Film „Picasso in Vallauris“ zu sehen, den der Regisseur Peter Nestler eigens für diese Bausstellung gedreht hat. Im Mittelpunkt: Das Wandgemälde „Krieg und Frieden“ in der Kapelle des französischen Mittelmeer-Städtchens Vallauris, in dem Picasso in den 1950er Jahren lebte und auch seine Keramikarbeiten schuf. 

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Foto 1: Jürgen Schön – „Der geteilte Picasso“: Blick in die Ausstellung.

Foto 2: Pablo Picasso: „Massaker in Korea“ (1951) – Musée national Picasso-Paris, © Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / Foto: bpk/ RMN-Grand Palais / Mathieu Rabeau 

Foto 3: Jürgen Schön – „Der geteilte Picasso“: Blick in die Ausstellung.

Foto 4: Jürgen Schön – „Der geteilte Picasso“: Blick in die Ausstellung.

Zeiten:

bis zum 30. Januar 2022

Preise:

Online-Ticket, inkl. KVB-Ticket:
Normal: 13,00 € zzgl. VVK-Gebühr
Ermäßigt: 8,50 € zzgl. VVK-Gebühr 

 

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Museum Ludwig, Köln
Adresse: Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Telefon:
0221 – 221 261 65
Webseite: https://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/der-geteilte-picasso-der-kuenstler-und-sein-bild-in-der-brd-und-der-ddr.
KVB:
Linien 5,16, 18: Dom/Hbf
Linie 5: Rathaus

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