Mit Pause begleitete die Satirezeitschrift „Simplicissimus“ die Deutschen gute zwölf Jahrzehnte durch das Zeitgeschehen. Mal kritisch, mal Mitläufer – immer aber vor allem vom braven Bürgertum gelesen. 1967 wurde das legendäre von der linken „Pardon“ endgültig vom Markt gefegt. Das Käthe-Kollwitz-Museum zeigt jetzt die Jahre von 1954 bis zu ihrem Ende.
Als Olaf Iversen nach dem Zweiten Weltkrieg „Simplicissimus“ neu gründete, griff er die alte Bissigkeit auf, die den „Simplicissimus“ berühmt gemacht hat. Er neben neuen auch Mitarbeiter an, die in der Nazi-Zeit Arbeitsverbot hatten und verfolgt wurden. Immer wieder zielte er auf die herrschenden restaurativen politischen Kräfte – allen voran Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der jungen Republik. Zitierte etwa ein historisches Foto auf, das Kaiser Wilhelm II. zwischen preußischen Offizieren zeigt – und setzte an dessen Stelle den CDU-Politiker. Kritisch sah er neue die deutsch-französische Freundschaft.
Adenauer als Symbol für die Restauration
Manches mutet überraschend aktuell an: So zeichnete Wigg Siegl 1961 Mülltonnen, aus denen Brot herausquoll. Zumindest diskussionswürdig ist eine Zeichnung, in der sich Europäer – verantwortlich für die willkürlichen Grenzziehungen in Afrika – über die undemokratischen Entwicklungen in den gerade erst unabhängig gewordenen Staaten ereifern. Die Darstellung dieser Staatschefs mit dicken roten Lippen würde heute allerdings nicht mehr durchgehen. Gleiches gilt für das Frauenbild. Doch in Zeiten des Kriegs in der Ukraine sind Bilder mit Atombomben und zur Wiederbewaffnung nicht ohne Gegenwartsbezug.
Die wechselhafte Geschichte des Satire-Blattes
Natürlich lässt diese Ausstellung auch die gesamte „Simplicissimus“-Geschichte passieren Nach ihrer Gründung 1896 waren weder Obrigkeit noch Adel, weder Kirche noch Militär vor den satirischen Angriffen des Blattes sicher. Was immer wieder Verbote zur Folge hatte – und steigende Auflage. Kritik am Militarismus aber ist nach 1914 nicht mehr angesagt, die Redaktion biegt auf die patriotische Schiene ab. Nach 1918 besann sich die Redaktion auf ihre kritischen Anfänge, warnt vor Hitler – um dann nach der Gleichschaltung durch das NS-Regime dessen Politik unterstützte. 1944 erschien der „alte“ Simplicissimus dann zum letzen Mal. Aus Papiermangel.
Auch Käthe Kollwitz war dabei
Karikaturisten wie Th. Th. Heine (Thomas Theodor), Olaf Gulbransson, Karl Arnold, A. Paul oder Manfred Oesterle machten den Simplicissimus berühmt – und wurden berühmt unter dem „Wappentier“, der roten Bulldogge, die ihre Kette zerrissen hat. Zu den freien Mitarbeitern gehörte auch Käthe Kollwitz – sie lieferte 16 Zeichnungen, den oft bemüht-witzigen Texte dazu schrieb allerdings die Redaktion.
Von einigen dieser Mitarbeiter sind in dieser Ausstellung Arbeiten aus den hauseigenen Sammlung zu sehen, die nicht in der Satire-Zeitschrift veröffentlicht wurden. Der Kern der Ausstellung stammt von Uwe Westfehling, dem ehemaligen Leiter der Graohischen Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums.
Nach dieser Ausstellung – die erste unter Leitung der neuen Direktorin Katharina Koselleck – wird das Käthe-Kollwitz-Museum wegen Sanierung geschlossen. Die Wiedereröffnung wird für Mitte 2023 angestrebt.
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Foto 1: Hanns Erich Köhler: „Dynastie Adenauer ausgerufen“ – Veröffentlicht im Simplicissimus, Jg. 1955, Nr. 14, © Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover.
Foto 2: Wigg Siegl: „Unser täglich Brot gib uns heute“ – veröffentlicht in Simplicissimus, Jg. 1961, Nr. 3
Zeiten:
Bis zum 3. Oktober 2022
Dienstag bis Sonntag:
11:00 – 18:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 6,00 €
Ermäßigt: 3,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Käthe Kollwitz Museum Köln
Adresse: Neumarkt 18-24, 50667 Köln
Webseite: https://www.kollwitz.de/der-neue-simplicissimus
KVB:
Linien 3, 4, 7, 9, 16, 18: Neumarkt