Eine Reise in eine Tötungsmaschinerie
An ein bedrückendes, weitgehend vergessenes Kapitel deutscher Geschichte erinnert das NS-Dokumentationszentrum: Die Ausstellung „Die I.G. Farben und das Konzentrationslager Buna-Monowitz“ zeigt die enge, beispiellose Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft im NS-Staat. Allein hier wurden 30.000 Menschen durch Arbeit ermordet.
1941 ließ die I.G. Farben – der Zusammenschluss großer deutscher Chemiefirmen – in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz eine riesige Chemiefabrik bauen, um den für die Kriegswirtschaft wichtigen synthetischen Kautschuk Buna herzustellen. Die Verkehrslage war günstig, Rohstoffe waren nah – vor allem aber waren die Arbeitskräfte billig: sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Häftlinge aus dem Konzentrationslager. Für sie wurde nur wenige Monate später das eigene Konzentrationslager Monowitz gebaut – von den Häftlingen bei Hitze und Kälte, unzureichender Kleidung und Verpflegung.
Wer „arbeitsfähig“ war, wurde nicht sofort ermordet
Schon bei ihrer Ankunft im KZ wurden die Menschen vom SS-Lagerpersonal selektiert: in „arbeitsfähig“ und solche, die sofort ermordet wurden. 15 bis 30 Prozent – vor allem Männer – wurden als „arbeitsfähig“ eingestuft und von der SS an die I.G. Farben „vermietet“, den vereinbarten Arbeitslohn strich sie selber ein. Wer in die Buna-Fabrik abkommandiert wurde, hatte im Schnitt nur drei Monate zu leben. Dabei hatten Fachkräfte wie Chemiker oder Mechaniker eine minimal größere Überlebenschance. „Nichts lebt hier, nur Maschinen und Sklaven, und jene mehr als diese“, erinnerte sich ein Überlebender.
Im November 1942 mussten rund 2.300 Menschen hier arbeiten, bei Auflösung der Fabrik im Dezember 1944 waren es 10.500. Der Leistungsdruck – oft genug mit Prügelstrafen verbunden – war enorm, Verpflegung und hygienische Bedingungen katastrophal. Tödliche Krankheiten waren an der Tagesordnung, ebenso der Tod durch Verhungern.
Die einen schufteten sich zu Tode, die anderen gingen ins Theater
Ausführlich dokumentiert die Ausstellung die Entwicklung von Buna-Monowitz, den Alltag der Häftlinge sowie die Aufarbeitung der Verbrechen nach 1945. Auf 20 Tafeln werden nüchterne Zahlen, Fakten und Fotos den persönlichen, erschütternden Zeugnissen der Arbeiter gegenübergestellt. Die deutschen Vorarbeiter und Angestellten konnten sich dagegen über Steuererleichterungen, Trennungszulagen sowie ein reiches Freizeitsport- und Kulturangebot etwa mit Theateraufführungen freuen.
In späteren Prozessen wurden der SS-Lagerkommandant von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet, der SS-Lagerarzt kam 1966 in der DDR vor Gericht und wurde ebenfalls hingerichtet. Von den I.G.Farben-Mitarbeitern wurden nur vier verurteilt, aber vorzeitig aus der Haft entlassen. Auch Freisprüche gab es. Geradezu grotesk die widersprüchlichen Aussagen von Angeklagten und Zeugen in den Prozessen: Während die einen etwa die gute Verpflegung lobten, berichteten die anderen nur von Wassersuppe. Und ein Zeuge für die I.G. Farben behauptete gar: „Eins steht fest, dass – je länger Häftlinge bei uns eingesetzt waren – sich ihr Gesundheitszustand verbesserte.“
Für die Überlebenden gab es eine lächerliche „Entschädigung“
Gering fielen die Entschädigungen für die Überlebenden aus. Nach einem außergerichtlichen Vergleich erhielt jeder rund 5.000 Mark „Lohnnachzahlung“. Wer weniger als 6 Monate im Lager war, nur 2.500. Aus der I.G. Farben wurden nach 1945 wieder die Chemieriesen, Bayer, BASF und Hoechst. Ihre Nachfolgeorganisation meldete nach der deutschen Wiedervereinigung Ansprüche auf ehemalige Besitztümer an: Forstgebiete, Wohnhäuser; Ferienheime, Betriebsgelände – insgesamt etwa 151 Millionen Quadratmeter. Ein Gericht lehnte diese Forderungen ab. 2003 ging die I.G. Farbenindustrie in Insolvenz, das Vermögen in Höhe von umgerechnet etwa 250.000 Euro ging an eine Stiftung für die Überlebenden über.
Köln ist die vierte Station der Wanderausstellung, die vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut zusammengestellt wurde. Sie ist eine Überarbeitung einer Ausstellung aus den 1990er-Jahren, die im Wesentlichen um die persönlichen Zitate der Häftlinge ergänzt wurde.
Foto: Jürgen Schön – Blick in die Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum.
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Anmerkungen:
Der Besuch ist nur für Einzelbesucher möglich, erfordert den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand, die üblichen Hygienemaßnahmen und einen vorschriftsmäßigen Mundschutz. Aus Hygienegründen sind die Medienstationen nicht in Betrieb. #Abstandhalten #Achtsamsein
Zeiten:
Bis zum 24. Mai 2020
Dienstag bis Freitag:
10:00 – 18:00 Uhr
Samstag und Sonntag:
11:00 – 18:00 Uhr
Preise:
Erwachsene: 4,50 €
Ermäßigt: 2,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
NS-Dokumentationszentrum
Adresse: Appelhofplatz 23-25, 50667 Köln
Webseite: www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum
KVB: Linien 3, 4, 5, 16, 18: Appellhofplatz