Hurra, die Franzosen kommen!

Nachdem die Bühnenspielgemeinschaft „Cäcilia Wolkenburg“ mit ihrem Divertissementchen 2021 nur per Stream und über den WDR lief, tritt der traditionsreiche Männer-Gesangs-Verein endlich wieder vor Publikum auf. Wie der Titel „Napoleon en Kölle“ schon verrät, kommt dieses Mal der Namensgeber des Napoleon-Komplexes nach Köln und plötzlich steht die ganze Stadt Kopf. Wie geht man mit dem Kaiser und seinem Gefolge nur um? Alles, was die Kölnerinnen und Kölner wollen, ist Frieden und Freiheit. Und da passt, man mag es kaum glauben, die französische Armee ganz gut ins Bild – der Feind ist nämlich der Klerus. Eine Aufführung, die mit erstaunlicher Geschichtstreue glänzt und trotz aller Feierlichkeit nicht ganz ohne Makel bleibt.

Das Glas ist immer halbvoll in Köln. Nur wenige Bildnisse passen besser auf das, womit sich das Ensemble von „Cäcilia Wolkenburg“ seit Beginn der Pandemie konfrontiert sieht. 2021 nur im Stream, stand der Männer-Gesangs-Verein in diesem Jahr vor dem Problem steigender Infektionszahlen. Um das „Infektionsrisiko für alle Beteiligten, auch für das Publikum, weitestgehend aus[zu]schließen“, entschied man sich nur zwei Tage vor Beginn der Vorstellungen mit Maske auf die Bühne zu gehen.

Eine ehrenwerte Entscheidung, die nicht ohne Handicap daherkam. Durch die Mikrofone größtenteils abgefedert, erklangen Gesänge und Dialoge manchmal dennoch dumpf daher und trübten so die Immersion des ausgelassenen Spektakels. Dass durch die Masken die Mimik der Schauspieler nur zu erahnen war, führte ebenso zu Irritationen wie die Suche danach, wer denn jetzt überhaupt das Publikum mit seinem Gesang beglückte.

Beeindruckende Kulisse trifft unausgewogenen Lichteinsatz

Dies jedoch als Kritik anzubringen, ginge definitiv zu weit. Die Gewöhnung trifft einen selbst in solchen Situationen schneller als der Blitz und so verblasste der Maskenschimmer mit fortlaufender Dauer der Aufführung. Umso prägnanter wirkte hingegen das opulente Bühnenbild, das ein Köln Anfang des 19. Jahrhunderts zeigte und den perfekten Trip für einen 200-jährigen Zeitsprung bot. So entpuppte sich die wandelbare Kulisse geradezu als ein Magnet kindlicher Verzückung, auch wenn sie an der ein oder anderen Stelle ein wenig detailreicher hätte sein dürfen – beispielsweise durch beleuchtete Fassadenfenster.

Und hier liegt auch der größte Kritikpunkt der Aufführung. Denn die imposante Kulisse verlor durch einen unausgewogenen Lichteinsatz stellenweise ihren Charme, so hätten zielstrebigere Spoteinsätze oder Beleuchtungseingrenzungen der ein oder anderen Szene noch mehr Gewicht verliehen. Demgegenüber standen so vereinzelt Überladungen des Gesehenen statt einer unmittelbaren Konzentration im Vordergrund. Eine Kritik, an der sich arbeiten lässt.   

Die Aufführung selbst überzeugte mit atemberaubenden Gesangs- und Tanzeinlagen, umrahmt von humorvollen Dialogen, die im Gesamten ein Kunstwerk bildeten, das dem Publikum mehr als einmal ausgelassenes Gelächter oder gar empor gehaltene Feuerzeuge entlockte. Die von Manfred Schreier und Johannes Fromm geschriebenen Musikstücke passten perfekt in das Gesamtbildnis und animierten Zuschauende und Ensembleteilnehmer gleichermaßen zu einer ausgelassenen Stimmung, die von der Bühne über den gesamten Saal schwappte. Hätte man noch ein wenig an der Lautstärke gedreht, so hätte man das Publikum wahrscheinlich noch besser abgeholt – ließen einige Lieder doch genau diesen Extra-Wumms vermissen. 

Ein tolles Ensemble, das Lust auf mehr macht

Am meisten heraus sticht in diesem Jahr ohne Zweifel Simon Wendring, eine Amme spielend, die alles im Griff und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Ansonsten fällt es schwer, Differenzierungen zu treffen. Jürgen Nimptsch als Franz Ferdinand Wallraf oder Henning Jäger als Bürgermeister Wittgenstein liefern ebenso eine phänomenale und rundum witzige Vorstellung ab wie der gesamte Rest der Truppe. Hier und da vielleicht der ein oder andere Kalauer zu viel und zu flach; der Spaß, mit dem das Ensemble auf der Bühne agierte, war jedoch beinahe greifbar und nahezu ansteckend.

Wenn wir schon beim Thema Ansteckung sind (siehe Kirchenaustritte), so darf natürlich nicht die durchlaufende Kritik des Stückes der Kirche gegenüber unerwähnt bleiben. Das Ensemble nagelte ebenso das unerträgliche Machtstreben der Kirche ans Kreuz wie dessen heuchlerisches Gebaren und rückständiges Gedankengut. Vielleicht möchte die Kirche ja einen hochrangigen Vertreter (hochrangige Vertreterinnen finden sich ja nur schwerlich) in eine der Vorstellungen schicken? Und wenn nur zu Lehrzwecken?  

Trotz der hier im Text angebrachten Kritik lässt sich also folgendes festhalten: Das diesjährige Divertissementchen bietet die perfekte Grundlage für einen vergnüglichen Abend und dürfte damit jeden Penni wert sein. Wer sich an dem Maskenmeer auf der Bühne und dem ein oder anderen überflüssigen Kalauer nicht stört, wird in der Oper Köln für etwa drei Stunden eine wunderbare Zeit mit viel Lachen und Frohsinn haben. Klare Empfehlung unsererseits.

————————–

Foto 1 + 4: Martin Hämmerling

————————–

Anzeige: Solltet ihr über den Link ein Ticket kaufen, erhalten wir eine Provision (Affiliate-Link). Dies hat allerdings keinerlei Auswirkungen auf die Art und Weise unserer Berichterstattung.

Zeiten: 

noch bis zum 1. März 2022

Preise: 

Tickets: ab 29,50 Euro

Informationen:

Cäcilia Wolkenburg in der Oper Köln
Adresse: Staatenhaus am Rheinpark
Webseite: https://www.oper.koeln/de/programm/cacilia-wolkenburg-napoleon-en-kolle/5902

Diesen Artikel weiterempfehlen: