Ein Raum entfällt, neue Räume entstehen
Über 15 Jahre lang entwickelte sich die East Side Gallery an der Körnerstraße zu einem Hotspot der Kölner StreetArt-Szene. Doch damit ist nun Schluss. Die East Side Gallery ist Geschichte, der Eigentümer der Fläche hat seinen rechtskonformen Besitzanspruch angemeldet und alle Kunst entfernen lassen. Ein Schock für die Körnerstraße, dem die Bewohnerinnen und Bewohner mit eigener Initiative entgegentreten.
Dass die Körnerstraße seit jeher für Vielfalt steht, das dürfte sogar über die ehrenfeld’schen Grenzen hinaus bekannt sein. Und dass in solch einem Kontext der Kunst eine geradezu essentielle Notwendigkeit zukommt, das dürfte ebenso auf der Hand liegen. Der Wegfall einer ganzen Galerie bedeutet also nicht nur für die Künstlerinnen und Künstler einen herben Verlust, auch die Anwohnerinnen und Anwohner können es nicht fassen. Und was macht man in einem solchen Moment? Man sucht nach Alternativen. Und so hat die Nachbarschaftsvereinigung „19 Dackel“ das Heft in die Hand genommen und die „Körnerfeld Galerie“ gegründet, die sich über die gesamte Körnerstraße zieht. Eine Galerie, die der StreetArt-Szene der Stadt gewidmet ist und an der fast jeder teilnehmen darf und soll.
Die Straße als erweiterter Lebensraum – ein Zukunftsmodell?
„Als wir gesehen haben, dass die East Side Gallery abgebaut wird, hat das uns allen wehgetan.“ Wir haben uns mit zwei Vertretern der Gruppe „19 Dackel“ getroffen, um ein bisschen mehr über die Hintergründe zu erfahren. Die Mitgliederinnen und Mitglieder allerdings wollen anonym bleiben. „Die Kunst sollte im Vordergrund stehen“, so die Begründung, der wir gerne nachkommen. Und die Kunst, die steht wahrlich im Vordergrund – vor allem auf der Körnerstraße selbst.
Denn wer nun in die Körnerstraße abbiegt, der kommt um die neu aufgelegte Galerie gar nicht mehr herum. Die Blumenbeete auf der Straße sind nun mit hölzernen Verkleidungen versehen, die genügend Raum zur künstlerischen Entfaltung eröffnen – und jeder, der Kunst macht, soll sich daran austoben. Das Projekt sei ein Experiment, gewissermaßen gar in sozialer Hinsicht: „Wenn hier jetzt jemand ankommt und denkt, die Panele vollzukritzeln sei eine witzige Sache, dann ist die Aktion ganz schnell wieder beendet.“ Der Respekt den anderen Arbeiten gegenüber solle genauso vorrangig sein wie der Respekt gegenüber der Botanik, die von den neuen Kunsträume umschlossen ist. „Wir alle hier sehen die Straße als Erweiterung des eigenen Lebensbereiches. Man muss halt was machen und aktiv werden, wenn man Verbesserung will. Und nicht nur meckern. Das ist unser Credo hier.“
Den neuen Galerieraum haben bisher schon eine Reihe an Künstlerinnen und Künstlern für sich entdeckt. Einige, die ihre Kunst schon an der East Side Gallery ausgestellt haben, sind ebenso dabei wie ein paar neue. „Der Versuch, Teile der alten Kunst der East Side Gallery zu retten, schlug leider kläglich fehl. Sie wurde einfach als Müll deklariert und weggeworfen. Also haben wir kurzerhand unser Netzwerk aktiviert und viele der ursprünglichen Künstlerinnen und Künstlern angeschrieben, von denen auch sofort einige Bock darauf hatten.“ Und so entstand eine Straßengalerie, die gleichwohl ein Demokratie- als auch ein Gesellschaftsexperiment ist, von Bürgern für Bürger sozusagen, und die all das ist, was ein Werbegemälde nie sein kann: Ein Raum, der jeden zur gleichberechtigten Teilhabe einlädt…