Liebe, die Dritte

Mit der überraschend aktuellen Kammerausstellung „Eros, Macht und Ohnmacht“ beendet das Wallraf-Richartz-Museum eine Trilogie, in der sich alles um die Liebe zwischen Mann und Frau dreht. Nach den Amor-Darstellungen von Rubenslehrer Otto van Veen und Zeitgenossen, nach den düsteren Liebeszyklen von Max Klinger und Edvard Munch, nun erneut ein spannender Blick in die Graphische Sammlung des Hauses mit 24 eigenen Blättern und einer Leihgabe. 

Mit seinem Bild „Pariser Wohnraum“ – Schlusspunkt der Ausstellung – würde Honoré Daumier heute wohl einen Shitstorm ernten. Dabei sieht die Szene auf den ersten Blick recht emanzipiert aus: Der Mann kehrt die Stube, die Frau ruht sich im Bett aus. Doch die beschreibende Unterzeile dürfte weniger gefallen: „Der Mann macht den Haushalt, die Frau zerstört die Ehe.“ Als Witz gedacht, zeigt sie doch die wahre Vorstellung des Künstlers, wie eine Ehe in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu funktionieren habe. 

Schon die Bibel sagt: Die Frau sei dem Manne Untertan 

Die Frau sei dem Manne Untertan – so steht es in der Bibel (und nicht nur christliche Gesellschaften vertreten dieses Menschenbild). Und schließlich war es Eva, die die Sünde auf die Welt brachte, indem sie sich dem Gebot Gottes widersetzte, den Apfel der Erkenntnis vom Baum pflückte und auch Adam zu dessen Verzehr verführte. 

Dass viele Künstler dieser Erzählung und ihren gesellschaftlichen Konsequenzen folgten, wundert nicht. Doch nicht alle. So zeigt Albrecht Dürers Holzschnitt „Der Sündenfall“ (um 1510), der die Ausstellung eröffnet, leichte Zweifel an der geltenden Bibel-Exegese. Adam und Eva sind hier – anders als in seinen bekannteren Motiven – schon vor dem gemeinsamen (!) Griff zum Apfel ein zärtlich vereintes Liebespaar. Ähnlich verteilt auch Dürers Zeitgenosse Hans Sebald Beham die Schuldfrage auf beide. 

Ist doch klar: Die Frau verführt den Mann 

Doch das Bild der Frau als die böse Verführerin des schwachen Mannes ist vorherrschend. Etwa in der Geschichte des heiligen Johannes Chrysostomos. Eine Kaiserstochter soll den Eremiten verführt haben. Er vergewaltigte sie und stürzte sie einen Felsen hinab. Als freiwillige Buße lebte er fortan wie ein Tier – um es dann doch noch zum Erzbischof von Konstantinopel zu bringen. Auch der Philosoph Aristoteles erniedrigte sich freiwillig zum Tier, damit die schöne Phyllis ihn mit Peitsche reiten durfte. 

Schließlich die starken Frauen aus dem Alten Testament: Der feindliche Feldherr Holofernes verfällt der Jüdin Judith, Samson wird von Delila an die Philister verraten. Beide bezahlen ihre Liebe mit dem Tod. Doch handeln die Frauen aus eigenem Willen? Sind sie Werkzeuge Gottes? Oder führen sie die Wünsche anderer Männer aus? 

Erst der Sex und dann der Mord 

Behams Judith hat Holofernes offensichtlich nach einem Liebesakt geköpft, was in der Bibel nicht vorkommt. Sichtlich angeekelt wendet sie sich von dem Haupt ab, das sie in der Hand hält. Ganz anders anders die Judith – oder Salome – in der Federzeichnung eines unbekannten Künstlers aus dem 16. Jahrhundert: Ein heimliches Wohlgefallen über ihre Tat ist nicht zu verkennen. Bei Max Liebermann ist auf den ersten Blick ein durchaus zärtliches Zusammensein zu sehen, erst der Titel verrät, dass es um Delila und Simson geht. Dass auch Intellektuelle nicht vor der Versuchung durch die Frau gefeit sind, zeigt Felicien Rops: Er zeigt eine elegant gekleidete Frau, die sichtlich erfreut auf einem Teller einen Männerkopf mit Brille als Trophäe präsentiert. 

Dann die Liebe zwischen Mann und Frau ungleichen Standes oder Alters. Bei Albrecht Dürer begleitet ein Jüngling – als Söldner wohl nicht mit Reichtum gesegnet – eine sichtlich ältere und wohlhabende Dame. Auf einem anderen umarmt ein Senior eine junge, wohl käufliche Frau. Dann turtelt eine Schwangere mit einem dicken Koch. 

Darum geht’s: Wer hat die Hosen an? 

Der Kölner Kupferstecher Augustin Braun bringt um 1600 in seiner Federzeichnung „Der Kampf um die Hose“ den Geschlechterstreit auf den entscheidenden Punkt: Wer hat die Hosen an? Und schlägt sich auf die Seite des Patriarchats. Denn mit seiner Hose übergibt der  Mann der deutlich jüngeren Frau die Macht. Und im Hintergrund streiten sich sieben andere Frauen um eine Hose. So sind sie eben, die bösen Frauen, um zu Regieren ist ihnen jedes Mittel recht. Da müssen sich die armenarmen Männer doch mal wehren. Nur ein aktueller Hinweis: Der türkische Staatschef weiß, wie das geht. 

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Foto 1: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung – Honoré Daumier: “Pariser Wohnraum” (Lithographie, 1842, Ausschnitt)
Foto 2: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung – Augustin Braun (1570-1641) “Der Kampf um die Hose” (Aquarell, Feder und Tinte)
Foto 3: Wallraf-Richartzz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung – Max Liebermann (1847-1935): Kohlezeichnung “Simson und Delila”

Zeiten:

bis zum 30. Mai 2021

Preise des Museums:

Eintritt: 
Erwachsene: 5,00 €
Ermäßigt: 3,00 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: www.wallraf.museum/ausstellungen/vorschau/2020-11-06-eros-macht-ohnmacht
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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