Nichts für schwache Nerven
Die Kunsthalle Karlsruhe ist wegen „baulicher Weiterentwicklung“ für die kommenden Jahre geschlossen. Gut für das Wallraf-Richartz-Museum. Da muss zwar auch gerade das Dach saniert werden, doch der eigentliche Museumsbetrieb kann weitergehen. Und so dürfen sich seine Besucher ein Jahr lang über eine Leihgabe aus Baden freuen: Sechs Bilder der legendären „Karlsruher Passion“ treffen hier auf das siebte, das im Besitz des Kölner Museum ist.
Das Leiden Christi mit brutalen Details
Gemalt wurde die „Karlsruher Passion“ um 1450. In sieben Stationen schildert sie mit voller Drastik die Leidensgeschichte Christi. Vielleicht waren es einmal mehr Bilder – doch dazu später. Es beginnt mit dem Gebet auf dem Ölberg und endet mit der Annagelung auf dem Kreuz. Dazwischen Gefangennahme, Geißelung, Krönung mit dem Dornenkranz, Kreuztragung und Entkleidung. Das alles wird mit einer Fülle von oft blutig-brutalen Details erzählt, die dargestellten Menschenmassen wollen den Rahmen der jeweils weniger als 70 x 50 Zentimeter messenden Nussbaumtafeln sprengen.
Da ist Judas, der sich mit dem Lohn des Verrats aus dem Bild schleicht. Petrus, der einem Häscher mit dem Schwert ein Ohr abhaut. Während der Geißelung erholt sich ein Scherge beim Trinken, die Peitsche mit den geknoteten Schnüren liegt unter einem Schemel. Neugierig gucken andere über die Mauer der Marter zu oder klettern der besseren Sicht wegen auf einen Baum. Piken, Hellebarden und Morgensterne versperren den Blick in den Himmel. Wer genau hinschaut, wird einen der Peiniger auf mehreren Bildern wiederentdecken.
Der gequälte Jesus lässt keinen Betrachter kalt
Deren Kettenhemden glitzern und Maria verhüllt schamhaft die Blöße ihres Sohnes, dem gerade der Hals mit einem Strick zugeschnürt wird. Die Darstellung seiner seelischen und körperlichen Qualen lässt den Betrachter mitleiden – und weckt Ehrfurcht und Glauben an den Gottessohn, der die Leiden der Welt auf sich nimmt, um die Menschen zu retten.
So steht der Zyklus mit seiner überquellenden Fülle in bester mittelalterlicher Erweckungs- und Erzähltradition. Aber auch in der traurigen Tradition des Antijudaismus, greift der Maler doch in seinen Darstellungen wiederholt auf antijüdische Stereotype zurück, wie sie etwa von Karikaturen im nationalsozialistischen NS-Hetzblatt „Der Stürmer“ bekannt sind.
Der Name des Künstlers ist bekannt – aber kaum mehr
Wer aber war der Künstler – und wozu dienten die Bilder? Roland Krischel vom Kölner Museum glaubt, dass sie in einer Kirche paarweise als Türen vor Nischen angebracht waren, in denen etwa Kultgegenstände aufbewahrt wurden. Darauf deuteten Spuren auf den Rückseiten der Holztafeln hin. Vielleicht stammen sie aus der Straßburger Kirche St. Thomas, deren Chorfenster sich in den Ritterrüstungen spiegeln. Es sei zudem möglich, dass es ein achtes, bis heute verschollenes Bild gebe. Eventuell sogar noch mehr.
Als ihr Maler gilt seit gut 70 Jahren der Straßburger Meister Hans Hirtz, über den allerdings so gut wie nichts bekannt ist. Krischel will allerdings nicht ausschließen, dass er in Köln war und sich von Stefan Lochners Altar inspirieren ließ. In Karlsruhe kaufte man sich die sechs Bilder im Laufe der Zeit zusammen. Die „Gefangennahme Christi“ – 2. Station der Passion – gehört seit 1859 dem Wallraf-Richartz-Museum. Erworben wurde die Tafel aus dem Nachlass eines Schusters.
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Foto 1: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe – Meister der Karlsruher Passion (Hans Hirtz): „Kreuz-Annagelung Christi“ – Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Foto 2: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe – Meister der Karlsruher Passion (Hans Hirtz): „Kreuztragung Christi“ – Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Zeiten:
bis zum 16. April 2023
Preise des Museums:
Eintritt:
Erwachsene: 8,00 €
Ermäßigt: 4,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: https://www.wallraf.museum/ausstellungen/aktuell/2022-04-08-kalsruher-passion/
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt