Hass scheint vielerorts wieder salonfähig zu sein. Man hasst den Nachbarn, dessen Baum zwei Zentimeter in den eigenen Garten reicht und der damit genau den Schatten wirft, den man um Himmels willen vermeiden wollte. Man hasst den Flüchtling, der mit nichts als einem Smartphone bekleidet nach Deutschland kommt und der den hiesigen Männern die Frauen und Arbeitsplätze wegschnappt. Kurzum: Man hasst einfach alles, was nicht der eigenen Meinung entspricht und was Potenzial besitzt, die eigene Komfortzone zu durchbrechen. Und so haben nicht nur die Gerichte Probleme, Hass von freier Meinungsäußerung zu unterscheiden, auch die Gesellschaft selbst streitet sich um definierbare Grenzen. Wie also begegnet man Hass und den aus ihr erzeugten Äußerungen und Taten? Mit Ablehnung und Abscheu? Mit eigenem Hass? Oder mit Verständnis, Empathie und der Reflexion eigener Verhaltensweisen? „Gegen den Hass“, eine Theaterfassung zu Carolin Emckes 2016 veröffentlichtem (gleichnamigem) Essay, nähert sich dieser Streitfrage auf spielerische und emotionale Weise, stellt dabei allerdings zu keinem Zeitpunkt den Anspruch, euch für dieses Problem Lösungsvorschläge auf dem Servierteller zu präsentieren. Stattdessen zielt die Produktion auf einen reflexiven Umgang mit dem eigenen Erleben, den eigenen Wünschen und Ängsten, und geht auf Konfrontationskurs mit euren Emotionen und den Gefahren, die in einer hasserfüllten Gesellschaft schlummern und die mit aller Kraft versuchen auszubrechen.
2015 erlebte Deutschland eine der größten Migrationswellen der jüngeren Geschichte. Weite Teile der Gesellschaft drifteten auseinander, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Fanatismus griffen um sich und Feinde der Demokratie sahen sich durch aufsteigende politische Entscheidungsträger nach Jahrzehnten des Schweigens wieder gestärkt. Ein Jahr später erschien Carolin Emckes Essay „Gegen den Hass“. Gleichermaßen deskriptiv und analytisch kontextualisiert dieser jene Entwicklungen und liefert Erklärungsansätze, er setzt sowohl dem Leser als auch der Autorin den Spiegel vor und vergegenwärtigt dadurch aktuelle Grabenkämpfe unterschiedlicher Kulturen. Eine Herangehensweise, derer sich auch die Theaterfassung bedient, wenn auch in eingegrenzter Form und mit einer engmaschigeren Performance. „Emckes Essay ist unglaublich vielschichtig, bei der Umsetzung mussten wir den Themenkreis natürlich ein wenig enger ziehen“, sagt Thomas Jonigk, Regisseur der Inszenierung. „Wir nähern uns vor allem aus der reflexiven Sicht: Wie stehe ich selbst zu der Thematik? Welche Vorbehalte schlummern in mir, die mich dahingehend einschränken, dass ich zu einer distanzierten Diskussion nicht mehr fähig bin?“
Ähnlich wie die Vorlage visualisiert die Inszenierung eine Reihe von Situationen, die in den letzten Jahren mediale Aufmerksamkeit erfuhren und die Gesellschaften weltweit erschütterten. Und von denen ein jeder von uns gehört haben dürfte. Clausnitz und die Belagerung eines Flüchtlingsbusses sind ebenso Teil dessen wie die Ermordung von Eric Garner in den USA oder die nimmermüde Skandierung des Ausrufes „Wir sind das Volk“. „Demokratie ist keine Institution, die allein einzelnen Gruppen zusteht. Demokratie lebt vom Diskurs und das betrifft uns alle und nicht nur die, die sich selbst als Volk sehen und die am lautesten brüllen. Das kommt in der Vorlage gut rüber, wir setzen das nun mit recht minimalistischen Mitteln auf der Bühne um.“
Diese minimalistischen Mittel begegnen euch sodann auf einer eher unangenehmen Ebene, sie stellen schmerzhafte Fragen und ziehen eure eigene Einstellung in Zweifel. Wie der Essay bietet auch die Theaterproduktion keine Lösungsvorschläge an, sie zieht euch vielmehr in eine Spirale der Reflexion, die euch dazu verleiten möchte, das eigene Erleben zu hinterfragen und sich selbst in den Kontext zu setzen. „Ein jeder von uns hat Angst. Angst als Ursache für den ausbrechenden Hass zu deklarieren, fällt also weg“, sagt Thomas. „Aber gerade deswegen ist es ja so schwer, eine Grenze zu ziehen. Warum zeigt man sich trotzdem solidarisch, obwohl man selbst gewisse Vorbehalte hat? Was heißt der Begriff Sorge und inwiefern hebt er sich vom Begriff des besorgten Bürgers ab?“ Die Produktion balanciert also auf einem schmalen Grat zwischen dem Willen, sich abgrenzen zu wollen, Verständnis zu zeigen und der Gefahr, sich selbst in diesem Strudel aus Ablehnung und Toleranz zu verlieren.
„Gegen den Hass“ spielt mit euren Wünschen und Ängsten und versucht darüber, den Hass in unserer Gesellschaft zu verstehen, ihn zu visualisieren und in Bezug zu eigenen Befindlichkeiten zu setzen. Wie steht ihr dazu und wie begegnet ihr Hass? Mit Ablehnung und Abscheu? Mit eigenem Hass? Oder mit Verständnis, Empathie und der Reflexion eigener Verhaltensweisen?
Wir wünschen euch viel Spaß.
Fotos: Thomas Aurin
Zeiten:
13. März 2020:
20:00 – 21:40 Uhr
Preise:
Eintritt: 18,70 €
Abendkasse ermäßigt: 7,00 €
VVK ermäßigt:
50%-Ermäßigung
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Schauspiel Köln
Adresse: Depot 2; Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Telefon: 0221 – 221 284 00
Webseite: www.schauspiel.koeln/spielplan/premieren/gegen-den-hass
KVB: Linie 4: Keupstraße