Man stelle sich nur einmal das Leben eines Bundespräsidenten vor. Man jettet durch die Welt, reist an die exotischsten Orte und kommt mit den unterschiedlichsten Kulturen in Berührung. Man repräsentiert das eigene Land, fechtet diplomatische Schlachten aus und es gilt, gegenüber den übelsten Diktatoren des Planeten keine Schwäche zu zeigen. Und obendrauf bekommt man noch einen Haufen Geschenke. Diplomatische Aufmerksamkeiten sind im politischen Betrieb keine Seltenheit, sie sind gleichermaßen Respekt bezeugende und der Selbstdarstellung dienende Symbole. Da genügt schon ein kurzer Blick auf den Landkarten-Kupferstich von der Rheinpfalz, den Angela Merkel Donald Trump in Anspielung auf die Heimat seiner Vorfahren geschenkt hat. Doch nicht immer sind die Geschenke von solch persönlicher Natur. Im Laufe ihrer Dienstjahre häuften sich bei den ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel (1974-1979) und Karl Carstens (1979-1984) eine Vielzahl skurrilster Präsente an, die nun ihren Weg aus den Archiven an die Öffentlichkeit gefunden haben. Im Rahmen der Intervention „Geschenkt! – Die Gabe der Diplomatie“ erweitert das Rautenstrauch-Joest-Museum seine Dauerausstellung um eine Dauerleihgabe des Auswärtigen Amtes, die das ethnologische Museum um zusätzliche kulturelle Geschichten bereichert und die den Blick auf diplomatische Geschenkpraktiken legt, die nicht nur reiner Höflichkeit entsprangen…
Wer wollte in seinem Leben noch nie ein Kamel haben? Als Karl Carstens im November 1983 den damaligen Präsidenten der westafrikanischen Republik Niger, Seyni Kountché, traf, übergab ihm jener eine Kameldame zur Begrüßung. Assacha, so ihr Name, führte in Deutschland zu einiger Verwirrung, noch Jahre später erhielt das Auswärtige Amt Briefe, in denen man sich um das Wohlergehen des Kamels erkundigte. Wie hatte es den Transport nach Deutschland überstanden? Was macht man mit solch einem Geschenk? Einfach weiterverschenken geht eigentlich nicht, sonst verletzt man möglicherweise die kulturellen Traditionen des Schenkenden. „Die Schenkung Assachas hat damals ziemlich die Gemüter erhitzt“, weiß auch Clara Himmelheber, Kuratorin der Intervention. „Da man sich auf Seiten des Bundespräsidenten Sorgen um den Transport machte, übergab man das Kamel sicherheitshalber an eine karitative Einrichtung in Niger. Nach Absprache mit dem Präsidenten natürlich.“ Gott sei Dank, mag man da sagen, denn eine der absurdesten Zusendungen, wie man denn mit dem Kamel zu verfahren habe, beinhaltete einen Rezeptvorschlag für ein „gefülltes Kamel“. Nur gut, dass es dazu nicht gekommen ist…
Andere Tiere hingegen hatten weniger Glück. 1981 erhielt Karl Carstens vom malawischen Präsidenten Hastings Kamuzu Bauda das Fell eines erlegten Löwen. „Ja, das ist ein echtes Fell. Damit hat man möglicherweise das Ziel verfolgt, das eigene Land möglichst wild darzustellen, um im Laufe der Gespräche Entwicklungshilfe zu bekommen.“ Eine Replik des sogenannten Azteken-Kalenders, ein Geschenk José Lopez Portillos aus dem Jahr 1980, ist ein weiterer Hingucker in der Intervention und auch sie weist auf den symbolischen Charakter derartiger Aufmerksamkeiten hin. „Viele Geschenke entsprechen Vorurteilen, die man gegenüber den schenkenden Ländern hat. Oftmals sollen sie vorgefertigte Meinungen und bestehende Bilder sogar bestärken. An ihnen erkennt man, wie die Repräsentation eines Landes aus der Innensicht heraus organisiert ist und welche Ziele mit dem diplomatischen Geschenk verknüpft sind.“
Da das Rautenstrauch-Joest-Museum das Kölner Museum der Kulturen ist, passen die Geschenke, die oberflächliche Zeugnisse unterschiedlicher Kulturen sind, perfekt in die Dauerausstellung. Von Themenwelt zu Themenwelt sind die Geschenke in die Dauerausstellung integriert und geben neue Blickwinkel, sie interagieren teilweise sogar mit den ständigen Exponaten. „Man betrachtet unsere Dauerausstellung aus einer ganz neuen Perspektive. Das ist natürlich gerade für Besucher interessant, die schon öfters bei uns waren.“ Wie ein Erzählfaden schlängeln sich die Diplomatengeschenke durch das Haus und erzählen so zusätzliche Geschichten kultureller, politischer und zwischenmenschlicher Zusammenhänge, die für die meisten Normalsterblichen im Alltag in weiter Ferne liegen.
Und ihr habt Glück. Denn eigentlich sollte die Intervention nur bis Ende September gehen. Das Museum hat sie jedoch, vor allem wegen Weihnachten, bis Januar erweitert. „Das passt doch gut in die Weihnachtszeit, oder? Man muss ja nicht direkt einen Azteken-Kalender verschenken, aber man kann sich ja vielleicht die ein oder andere Inspiration abholen.“
Wie, ihr verschenkt zu Weihnachten kein Löwenfell? Und auch keinen Azteken-Kalender oder ein Kamel? Nicht schlimm, das Rautenstrauch-Joest-Museum will euch ja nicht gleich nach Mexiko oder Afrika schicken. Begebt euch einfach auf eine Reise in die diplomatische Vergangenheit Walter Scheels und Klaus Carstens und amüsiert euch über eine Reihe ungewöhnlicher diplomatischer Geschenke, die einerseits ganze Geschichten einzelner Länder erzählen, die andererseits aber auch mit eurem Verständnis von Vorurteilen und Stereotypen spielen. HoHoHo…
Wir wünschen euch viel Spaß.
Zeiten:
noch bis zum 5. Januar 2020!
Öffnungszeiten Museum:
Di – So: 10:00 – 18:00 Uhr
Donnerstags: 10:00 – 20:00 Uhr
Preise:
Eintritt Museum:
Normal: 7,00 €
Ermäßigt: 4,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibungen:
Rautenstrauch-Joest-Museum
Adresse: Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln
Webseite: www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum
KVB:
Linien 1, 3, 4, 7, 9, 16, 18: Neumarkt