Forderungen nach Rückzahlung einer Millionenanleihe, die die griechische Nationalbank während der deutschen Besatzung an das Deutsche Reich vergab, belasten immer wieder das aktuelle Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Griechenland. Aber auch in Griechenland sind die Ereignisse der dunklen 1940er Jahre noch nicht aufgearbeitet, gibt es noch viele Tabus. Die greift die digitale Ausstellung „Gespaltene Erinnerungen 1942-1950. Zwischen Geschichte und Erfahrung“ im NS-Dokumentationszentrum am Beispiel Thessaloniki auf. 

Dass diese Ausstellung in Köln nur digital zu sehen ist, ist Corona zu verdanken. 2016 hatte sie ihre reale analoge Premiere in Thessaloniki, Kölns Partnerstadt seit 1988. Sie entstand aus der Zusammenarbeit von Goethe-Institut Thessaloniki, Museum für zeitgenössische Kunst (MOMus) Thessaloniki, Jüdisches Museum Thessaloniki sowie dem Deutschen Historischen Museum in Berlin. In Griechenland fand sie große Beachtung. 

Nach analoger Premiere in Thessaloniki in Köln nur digital 

Corona verhinderte die Übernahme nach Köln. Stattdessen entstand die digitale Form, in aufwändiger Arbeit den hiesigen Ausstellungsräumen angepasst. Abzurufen ist sie unter https://dividedmemories.de/. Für viele „klassische“ Museumsbesucher ist das sicher eine Herausforderung, fehlt doch der direkte Kontakt mit den Exponaten. Doch Annemone Christians-Bernsee, stellvertretende Direktorin, sieht in dieser Form auch Vorteile: „Wir können so auch zusätzliche neue Exponate zeigen.“ Naja. 

1941 besetzten deutsche Truppen Thessaloniki. Sie trafen dort eine der größten jüdischen Gemeinden  Südosteuropas, die mehr als die Hälfte der Einwohner stellte. Der Großteil ihrer 50.000 Mitglieder wurde nach Auschwitz und Bergen-Belsen deportiert und dort ermordet. 1944 wurde die Stadt von britischen Truppen befreit. 

Künstlerischer Protest gegen die Besatzung 

Die Ausstellung zeigt mit historischen Texten und Fotos, wie die Deutschen die Unterdrückung und anschließende Deportation vorbereiteten. Griechische Künstler verarbeiteten diese Geschichtskapitel in Gedichten, Romanen und Bildern. „Doch“, so Projektleiter Peter Panes, Ex-Leiter des Goethe-Instituts Thessaloniki, „vieles aus dieser Zeit ist in Griechenland bis heute nicht aufgearbeitet.“ Dazu zählt unter anderem die Frage, wer sich den Besitz der deportierten Juden angeeignet hat. Dem politischen, kulturellen und ökonomischen Umfeld der jüdischen Gemeinde ist ein eigener ausführlicher Ausstellungsteil gewidmet. 

Weitere Themen sind der künstlerische und der bewaffnete Widerstand gegen die deutsche und italienische Besatzung, der zu einem großen Teil von linken Kräften getragen wurde. Diese waren dann auch Teil der politischen Bewegung, die von 1946 bis 1949 in einem Bürgerkrieg gegen die Einführung der Monarchie kämpften. Viele von ihnen flohen nach ihrer Niederlage in Länder des jungen sozialistischen Ostblocks. Ein Kapitel der griechischen Geschichte, das bis heute nicht ausdiskutiert und friedlich gelöst wurde. Auch diese Spaltung der Gesellschaft wird in zahlreichen Dokumenten ausgebreitet. Sie spiegeln die unterschiedlichen Positionen wieder, die bis heute die Debatte bestimmen. 

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Neben dem Internet ist die digitale Ausgabe der Ausstellung „Gespaltene Erinnerungen 1942-1950. Zwischen Geschichte und Erfahrung“ auch im Keller des NS-Dokumentationszentrum zu sehen (bis 23. Januar 2022). Dank einer VR-Brille wenigstens ein bisschen „natürlicher“.

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Foto 1: Jürgen Schön – Auf einem großen Monitor im Keller des NS-Dokumentationszentrums ist die digitale Ausstellung zu sehen. 

Foto 2: Stiftung Giannis Tsarouchis, Archiv-Nr. 796 – Giannis Tsarouchis (1910-1980): „Die Festnahme dreier Kommunisten, die jeder auf eigene Weise reagieren. Der erste ergibt sich, der zweite kämpft, der dritte ist unter dem Bett. Erste Tage der Bewegung, 1944“ (Wasserfarbe auf Papier)

Zeiten: 

Bis zum 23. Januar 2022

Online unter:
https://dividedmemories.de/

Preise:

Eintritt: 4,50 €
Ermäßigt: 2,00 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

NS-Dokumentationszentrum
Adresse: Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln
Webseite: www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum
KVB: Linien 3, 4, 5, 16, 18: Appellhofplatz

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