Er warnte schon vor über 40 Jahren vor der Zerstörung der Umwelt und prangerte die Unwirtlichkeit der Städte an. Doch seine nachts heimlich an markanten Un-Orten gesprayten Skelette nahm man Harald Naegeli nicht nur in seiner Heimatstadt Zürich übel. Verurteilt wegen Sachbeschädigung flüchtete er vor dem Gefängnis Anfang der 1980er Jahre nach Köln, wo man ihn auch nicht gerade mit offenen Armen empfing. Doch manchmal ist die Geschichte gerecht – heute ist der 83-Jährige ein anerkannter Künstler. Beweis: Die Ausstellung „Harald Naegeli in Köln“ im Schnütgen-Museum. 

Von seinen hunderten Kölner Knochenmännern auf den Betonwänden von Hochschulen, auf Brückenpfeilern oder Ufermauern am Rhein sind nur noch vier übrig. Der bekannteste stützt bis heute die Seitenpfeiler des zugemauerten Haupteingang von St. Cäcilen ab – heute Sitz eben des Schnütgen-Museums. Das Graffiti wurde restauriert, ist sogar denkmalgeschützt. In Köln wurde er vom „Sprayer von Zürich“ zum Schöpfer des „Kölner Totentanzes“. Angezogen hatten ihn die romanischen Kirchen.

Schon früh dokumentierten Fotografen den „Kölner Totentanz“  

Zum Glück gab es damals zahlreiche Fotografen, die Naegelis Strichmännchen dokumentierten, Thomas Schmitz hielt sie im Film fest. Der ist jetzt neben einer Fotoauswahl zu sehen. Erinnert wird auch an eine Naegeli-Ausstellung, die der Kölnische Kunstverein 1982 präsentierte und zum Wendepunkt in der Wertschätzung des gelernten Zeichners wurde.

Im Schnütgen hat er mit den mittelalterlichen Totentänzen die richtigen Nachbarn gefunden, wenn Gevatter Tod aus Naegelis Sprühdüse auch immer etwas beschwingter und nie so grimmig daherkommt. Wie seine „Vorbilder“ mahnt auch er die Vergänglichkeit des Lebens an . Er selber hat nach eigenen Angaben keine Angst vor dem Tod, wohl aber, wie wohl die meisten Menschen, vor einer möglichen vorangehenden langen Leidenszeit.

Wenn aus der „Urwolke“ unbekanntes Neues entsteht

Neben diesem „historischen“ Rückblick auf seine frühen Graffiti bestimmen drei neuere  Werkgruppen mit großen Arbeiten auf Papier die Ausstellung: „Urwolke“, „Apokalypse“ und „Tod und Frau“. In letztere greift er die mittelalterlichen „Liebespaare“ auf, bei denen ein lüsterner Tod den jungen Frauen nähert.

„Urwolke“ umfasst Bilder, die sich aus schier unendlich vielen Punkten und kleinen Strichen zusammensetzen. Sie entstehen oft über Jahre, symbolisieren so das Vergehen der Zeit und die Erwartung, was wohl einmal aus den chaotisch-dynamischen Wirbeln entstehen wird. Und das, was daraus entsteht – menschliche Figuren, Knochen, die unterschiedlichsten Tiere – wird einmal in einer chaotischen Naturkatastrophe, einer Apokalypse untergehen. Eine ungeplante Anspielung auf aktuelle politische Ereignisse und Krisen… 

Für die Ausstellung konnte das Museum auf eine Schenkung des Künstlers von Radierungen und über 100 Zeichnungen zurückgreifen. Dazu gibt es Leihgaben der Graphiksammlung „Mensch und Tod“ der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Naegeli lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf. 2010 hatte er mit seinen Tierzeichnungen eine Ausstellung im Kölner Zoo.

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Foto 1: Jürgen Schön – Blick in die Ausstellung mit einem Teil des „Apokalypse“-Zyklus. . 

Foto 2: Jürgen Schön – Harald Naegeli 2010 im Kölner Zoo – zur Ausstellungseröffnung im Schnütgen-Museum konnte er krankheitsbedingt nicht kommen.

Foto 3: Bernd Wendt – Harald Naegeli: „Totentanz“ (Graffiti an der Goldgasse, Köln, um 1981). 

Zeiten:

bis zum 12. Juni 2022

Preise:

Eintritt: 6,00 €*
ermäßigter Eintritt: 3,50 €*
Gruppen ab 10 Personen:
3,50 €*
Kinder und Schüler: kostenlos*
*inkl. Sammlung

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Museum Schnütgen
Adresse: Leonhard-Tietz-Straße 10, 50676 Köln
Webseite: https://museum-schnuetgen.de/Harald-Naegeli-in-Koeln
KVB: Linien 1, 7, 9, 16, 18: Neumarkt
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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