Wo gehen wir hin? Wo kommen wir her?
Saša Stanišić ist 1992 gerade einmal 14 Jahre alt, als seine Eltern beschließen, aus dem ehemaligen Jugoslawien Richtung Deutschland zu fliehen. Den zehntausende Opfer fordernden Bosnienkrieg im Rücken, finden sie in Heidelberg eine neue Heimat, bevor Sašas Eltern 1998 in die USA emigrieren. Saša hingegen bleibt in der romantischen Stadt am Neckar, sein Leben ist fortan geprägt von der Suche nach einer neuen kulturellen Identität und der Frage, inwiefern seine Wurzeln seine Gegenwart und Zukunft bestimmen. 2019 erscheint sein Buch „Herkunft“, das im selben Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wird und in dem er seine Erfahrungen autobiografisch verarbeitet. Das neue BOX-Theater in der Südstadt bringt Sašas Erzählung nun auf die Bühne. Wir haben mit dem Solisten der Produktion gesprochen, Asim Odobašić.
Hallo Asim. Du hast selbst bosnische Wurzeln. Dass da gewisse Parallelen zwischen Dir und Sašas Leben bestehen, ist kaum von der Hand zu weisen. Was bedeutet es für Dich, Teil einer solch emotionalen und persönlichen Produktion zu sein?
Asim: Das stimmt, es gibt gewisse Überschneidungen in unseren Leben. Ich wurde zwar in Deutschland geboren, aber auch meine halbe Familie musste damals vor dem Bosnienkrieg fliehen. Später wurden dann Teile meiner Familie abgeschoben, da kann ich mich natürlich noch sehr gut dran erinnern. Ich weiß also, wovon Saša redet. Vor allem wie es ist, wenn die eigene Familie über den halben Kontinent verstreut ist. Das ist inhaltlich sehr nah und emotional.
Als Deutscher mit Migrationshintergrund ist die Ausgangslage natürlich eine andere als die, die Saša hatte. In seinem Buch geht es unter anderem auch um die Schwierigkeiten in einem Land aufzuwachsen, in das man sich erst integrieren muss. Konntest Du Dich, trotz Deiner deutschen Herkunft, damit identifizieren?
Schon, ja. Ich sehe halt aus, wie ich aussehe und das macht mich gefühlt nicht wirklich Deutsch. Das hat mir in der Vergangenheit schon des Öfteren diskriminierende Erfahrungen eingebracht. Ob das aber immer rassistisch war, kann ich nicht sagen. In der Inszenierung spielt das allerdings nur eine begrenzte Rolle. Falls Du mit Deiner Frage auf aktuelle Bezüge abzielst, lässt sich das eher auf derzeitige Flüchtlingsströme beziehen. Es geht viel um Dinge, die im Krieg passieren. Um die Flucht vor solchen Umständen, aber auch um Reisen in die Heimat, die in Sašas Buch einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Wo kommt man her? Wie kann man das greifen?
Wie setzt ihr die Buchvorlage denn um? Laut der Pressemitteilung spielst Du Dich selber…
Wir hatten ursprünglich die Idee, auch persönliche Sachen aus meinem eigenen Leben einfließen zu lassen. Von dem Gedanken haben wir uns allerdings entfernt. Stattdessen haben wir uns dafür entschieden, dass ich quasi Saša spiele und seine Lebensgeschichte erzähle. Es wird im Stück aber schon klar, dass ich nicht nur Saša bin, sondern Ich, ein 30-jähriger Duisburger, der in einem Kölner Theater Sašas Geschichte performt – nur in einem sehr kleinem Maße. Dabei bleiben wir so nah am Text, wie möglich. Thomas (Thomas Wenzel, der Regisseur; Anm. d. Red.) und ich waren auch in Kontakt mit Saša und er hat uns per Mail bei der Entwicklung der Produktion zur Seite gestanden. Das war echt schön und letztlich hat er uns freie Hand gelassen.
Also eine freie Interpretation des Buches, die trotz allem nah am Ursprungswerk bleibt?
Genau. Der Begriff der Herkunft steht natürlich im Vordergrund. Alles in allem wird die Inszenierung jedoch eine etwas andere Farbe haben als das Buch. Und ich hoffe, die Leute kommen vorbei und nehmen den ein oder anderen Gedanken mit.
Von welchen Gedanken sprichst Du? Wollt ihr mit der Produktion eine bestimmte Botschaft vermitteln?
Wenn Du mich fragst, ist das gar nicht möglich. Die Anwesenden nehmen Inszenierungen immer individuell wahr, alle sehen etwas anderes. Was die Produktion aber zeigen wird, ist, und ich denke das wird deutlich, dass jeder Mensch eine eigene Geschichte hat. Im optimalsten Fall fördert das dann Empathie und das Verständnis gegenüber anderen Menschen. Aber dass das bei allen im Publikum so ankommt, das lässt sich im Vorfeld natürlich schwer voraussagen.
Danke Dir für das Gespräch!
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Foto 1: BOX Theater
Foto 2: BOX Theater – Asim Odobašić performt die Geschichte von Saša Stanišić.
Zeiten:
Premiere: 10. September 2021
20:00 Uhr
17. September 2021
20:00 Uhr
18. September 2021
20:00 Uhr
19. September 2021
20:00 Uhr
5. November 2021
20:00 Uhr
6. November 2021
20:00 Uhr
17. Dezember 2021
20:00 Uhr
18. Dezember 2021
20:00 Uhr
14. Januar 2022
20:00 Uhr
15. Januar 2021
20:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 17,00 €
Ermäßigt: 8,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
BOX Theater
Adresse: Sachsenring 3, 50677 Köln
Webseite: https://box-koeln.de/herkunft
KVB: Linien 15, 16: Ulrepforte