Die Retrospektive eines Stars
Er entwarf Kinderspielplätze und Parklandschaften. Er schuf Denkmäler gegen Krieg und Rassismus und designte Möbel und andere Alltagsobjekte. Er beherrschte den Umgang mit traditionellen und modernsten Materialien. In Japan und den USA ist der Bildhauer Isamu Noguchi (1904-1981) ein Star. Er war er zwar 1959 in Kassel auf der documenta II vertreten, doch ist er in Europa bis heute weitgehend unbekannt. Eine große umfassende Retrospektive im Museum Ludwig soll das ändern.
Der Besucher dieser Ausstellung taucht ein in die Welt eines visionären, Spartengrenzen sprengenden Multitalents. Sein Handwerk lernte Isamu Noguchi bei Bildhauerkursen in New York. Hier wurden die Grundlagen für die anfangs naturalistischen Porträtköpfe gelegt, die viele Jahre lang eine wichtige Einnahmequelle bildeten. Ein ausgewähltes Septett aus zwei Jahrzehnten eröffnet die Kölner Schau.
Ein Künstler, der Tradition und Moderne beherrscht
Ein künstlerischer Befreiungsschlag aus dieser traditionellen Kunstauffassung war seine „Entdeckung“ des rumänischen Bildhauers Brancusi, in dessen Pariser Atelier Noguchi 1928 ein halbes Jahr lang arbeitete. Dessen abstrakten, elegant geschwungenen Formen griff der junge Künstler in vielen eigenen (Metall-)Skulpturen begeistert auf und wurde später selber zum Vorbild für folgende Bildhauergenerationen. Gleichzeitig widmete er sich aber auch traditionellen Kunsttechniken wie chinesischer Pinselmalerei, japanischem Töpfern oder Ikebana. In den 1940er Jahren folgte ein „Ausflug“ in den Surrealismus.
Ein weiteres wichtiges Moment im Leben Noguchi und dessen Entwicklung als politischer Künstler war der Angriff der Japaner auf Pearl Harbour 1941. 120.000 japanisch-stämmige Amerikaner wurden in Lagern interniert, er selber ging freiwillig dorthin. Von seiner Kunst ließ er auch hier nicht. Den Internierten setzte er später ein Anti-Mahnmal. Seine Pläne für einen Park im „Fox Hole“ wurden allerdings nicht umgesetzt. Auch die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki hinterließen ihre Spuren.
Zu Haus auf der Bühne und in der Stadtentwicklung
All diese Hintergründe bestimmen die Vielfalt von Noguchi interdisziplinärem Lebenswerk. Dazu zählt zum Beispiel die enge Zusammenarbeit mit Architekten wie Le Corbusier, vor allem aber Buckminster Fuller oder der Tänzerin Martha Graham, für die er Bühnenbilder entwarf. Nicht zuletzt prägen sie das politische Engagement seiner Kunst, etwa gegen Rassismus, für Pressefreiheit oder in den frühen 1930er Jahren ein Mahnmal für die von Missernten geplagten Farmer im Mittleren Westen.
Dazu gehört auch das gesellschaftliche Engagement dieses Weltreisenden, das sich etwa in seinen Objekten für Spielplätzen zeigt. Eines ist in Köln nicht nur zu sehen – es darf selbstverständlich genutzt werden. Ebenso eine Bank aus Granit. Es ist eben auch – wenn hier auch nur mit wenigen Beispielen – eine Kunst zum Anfassen.
Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kölner Museums mit dem Londoner Barbican Centre und dem Lille Metropole Musee d’art moderne (LAM). Unterstützt wird das Projekt von der Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum in New York. Zahlreiche Sponsoren trugen 300.000 Euro zum seinem Gelingen bei, 255.000 kommen aus städtischen Mitteln. Fehlen noch rund 250.000 zum Gesamtbetrag. Die sollen Eintrittkarten und Katalogverkauf bringen. Das sollte gelingen.
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Foto 1: Jürgen Schön – „Isamu Noguchi“: Blick in die Ausstellung
Foto 2: Jürgen Schön – Porträt-Köpfe von Isamu Noguchi. Rechts Sukarno (Bronze mit brauner Patina, 1950), Präsident Indonesiens nach der Unabhängigkeit von den Niederlanden
Foto 3: Jürgen Schön – Darf bespielt werden: „Play Sculpture“ (1965/2021) von Isamu Noguchi in der Kölner Ausstellung.
Zeiten:
bis zum 31. Juli 2022
Preise:
Normal: 12,00 €
Ermäßigt: 8,00 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Museum Ludwig, Köln
Adresse: Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Telefon:
0221 – 221 261 65
Webseite: https://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/isamu-noguchi.html
KVB:
Linien 5,16, 18: Dom/Hbf
Linie 5: Rathaus