Das Theater im Bauturm und die Corona-Krise

Im Interview mit der Theaterleitung des Theater im Bauturm sprechen René Michaelsen, Laurenz Leky und Bernd Schlenkrich über die aktuelle Situation ihres Hauses und über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Kölner Theaterszene. Als gefördertes Theater nimmt das Haus – im Gegensatz zu vielen anderen – eine privilegierte Stellung ein und darf sich glücklich schätzen, auf vielseitige Unterstützung bauen zu können. Doch bedeutet das nicht, dass das Trio diesen Umstand kritiklos und mit einem Grinsen im Gesicht hinnimmt. Im Gegenteil.

Die meisten von euch haben es wahrscheinlich schon häufig genug gelesen: Die Corona-Krise bedeutet für viele Theater eine Gratwanderung. Durch ausfallende Veranstaltungen fehlen den Häusern die nötigen Einnahmen, um den Betrieb am Laufen zu halten, Mitarbeiter und freie Künstlerinnen und Künstler zu bezahlen und das Programm für die nächsten Wochen voranzutreiben. Vor allem letzter Punkt schwebt wie ein Damoklesschwert über den Verantwortlichen, weiß man doch noch nicht, wie lange die Maßnahmen der Bundesregierung und der Stadt Köln noch gelten werden.

Ein Ende der Ausgangsbeschränkungen noch nicht in Sicht?

„Wir hoffen darauf, dass wir das Theater möglichst bald, im Idealfall noch vor der Sommerpause, wieder öffnen können“, sagt Laurenz Leky, der als Intendant im Haus tätig ist. „Wir rechnen aber auch damit, dass gerade die ersten Wochen schwierig werden. Wie weit werden die Maßnahmen geöffnet, wie reagieren die Zuschauer?“ Zum jetzigen Zeitpunkt gehe man von einem eingeschränkten Publikumsverkehr aus und davon, dass eine Normalisierung noch lange auf sich warten lassen werde. „Werden die Maßnahmen nur soweit gelockert, dass wir nunmehr nur 30 Personen in den Saal lassen dürfen? Wir wissen es nicht und das erschwert die Planungen natürlich. Bisher ist alles nur reine Spekulation. Wir müssen abwarten, was passiert.“

Grundsätzlich stimmen alle Drei den erlassenen Maßnahmen zu, man sehe die Notwendigkeit – auch wenn es an vielen Stellen wehtue. „Wir haben zwar das Glück, dass wir als gefördertes Theater geringere Auswirkungen auf unseren Finanzplan spüren als Theater, die nicht gefördert werden“, sagt Bernd Schlenkrich, der Geschäftsführer des Hauses. „Aber gerade für die freien Künstlerinnen und Künstler, die regelmäßig an unserem Theater beschäftigt sind, ist das ein harter Schlag.“ Das Theater einigte sich kurz nach Erlassung der Ausgehbeschränkungen darauf, die freien Künstlerinnen und Künstler, die von ausgefallenen Aufführungen betroffen sind, mit Ausfallhonoraren aufzufangen und so den Lebensunterhalt jener zu sichern: „Das, was sie bekommen, ist nicht das, was sie verdienen könnten – aber immerhin das, was sie mindestens verdienen würden.“ Eine andere Vorgehensweise sei auch nie eine Option gewesen, das Theater war sich schon früh seiner Verantwortung als Arbeitgeber bewusst.

Selbiges gilt ebenso für die festangestellten Mitarbeiter. Das Haus hat Kurzarbeitergeld beantragt, stockt die Differenz zum eigentlichen Gehalt aber auf, um aufgrund der geringen Löhne existentielle Nöte zu vermeiden. Das ist aber wiederum nur der privilegierten Situation zu verdanken, in dem sich das Haus befindet. Andere Häuser können sich dies nicht leisten.

Theaterleitung kritisiert fehlende Unterstützung für nicht-geförderte Häuser und Künstler

„Hier zeigt sich jetzt die Mehrklassengesellschaft“, kritisiert Bernd. „Die Stadt hat zwar den Notfallfonds erlassen, was zweifelsfrei eine gute Sache ist. Was ich aber problematisch finde ist, dass aus diesem nur die institutionell geförderten Häuser und Gruppen Kompensation beantragen können. Alle anderen gehen bisher leer aus und geraten tatsächlich in existentielle Nöte. Wünschenswert wäre auch, wenn ein Notfallfonds für freiberufliche Schauspielerinnen und Schauspieler zur Verfügung gestellt werden würde. Dass Honorare für abgesagte, aber bereits bewilligte Projekte weiterhin ausgezahlt werden, auch wenn man nicht spielt, ist gut und hilfreich, aber sicher nicht ausreichend.“

Auch René, der Dramaturg des Hauses, sieht diesen Umstand kritisch: „Das Theaterleben steht still. Natürlich arbeiten wir alle an Lösungen und versuchen so gut wie möglich mit der Situation umzugehen. Dennoch ist es bedenklich, dass viele Häuser und viele Menschen durch das Raster fallen. Die meisten Kosten müssen ja weiterhin getragen werden. Wie kriegen das kleine Theater hin, die nur von ihren Einnahmen abhängig sind?“

Zugute kommt dem Theater der hauseigene Förderverein, der auch in der Krise als Unterstützer hervorsticht. „Da wir noch nicht wissen, wie die Situation ab dem 3. Mai aussieht, haben wir erstmal darum gebeten, Spenden zurückzuhalten“, sagt Laurenz. „Das hat die Mitglieder des Fördervereins jedoch nicht davon abgehalten, trotzdem zu spenden. Das ist ein großer Segen und hilft auch den Ensembles sehr.“

Das Online-Portfolio ist vielfältig

Die Unsicherheit, wie und wann es weitergeht, sie schwingt in allen Bereichen mit. Das gilt auch für die zukünftige Programmplanung sowie für die digitale Umsetzung. Von jetzt auf gleich Aufführungen im Videoformat online zu stellen? Diese Möglichkeit fiel von Vornherein für das Theater weg, dafür kam die Krise zu überraschend. Bereits gefilmte Aufnahmen aus vorherigen Aufführungen seien eher für den Privatgebrauch gedacht gewesen, wirklich professionelles Material habe man nicht. „So eine Situation zwingt einen natürlich zum Umdenken“, sagt René. Zukünftig werde man verstärkt darauf achten, die Aufführungen aufzunehmen, sodass man für solche Situationen hinreichend gewappnet sei.

Das bedeutet aber nicht, dass das Theater nun untätig ist. Mit dem Quarantäne-Theater führt das Haus die ausgefallenen Aufführungen auf eine neue Ebene und schafft damit eine „vielstimmige Bestandsaufnahme dessen, welche Gedanken und Strategien, mit denen uns das Theater im Normalfall versorgt, über die Krise hinweg gerettet werden sollten.“ Jeden Tag, an dem eine Aufführung ausfällt, setzen sich die jeweiligen Schauspielerinnen und Schauspieler im Home-Office vor die Kamera, entweder jeder für sich oder gemeinsam, und erstellen Inszenierungs-Clips, die auf den sozialen Medien des Theaters veröffentlicht werden und welche die Aufführung als thematischen Hintergrund in sich widerspiegeln. Zudem runden kurze Filme der Theaterleitung, die an den ursprünglich spielfreien Tagen erscheinen, das Online-Portfolio ab. „Darin setzen wir uns mit sehr unterschiedlicher Stimmungsfarbe mit den Herausforderungen des derzeitigen Arbeitsalltags im Ausnahmezustand auseinander.“  

Die Corona-Krise auf der Bühne?

Unsicherheit besteht derzeit ebenso in der Frage, ob man die aktuelle Krise in der nächsten Spielzeit auf der Bühne bespielen wird. „Für uns als Theater ist das natürlich eine vertane Chance“, sagt Laurenz. „Die jetzige Situation ruft nach Auseinandersetzung, nach Debatte. Das müssten wir jetzt eigentlich thematisieren und mit unserem Publikum diskutieren, ob im Foyer oder auf der Bühne – das ist unser Kerngeschäft. Leider geht das im Moment nicht. Das ist schade und es wird sich noch zeigen, wie wir das in der Zukunft handhaben werden.“ Auf eine Inszenierung von Albert Camus‘ Die Pest – jenen Roman, der gerade in der überregionalen Theaterdebatte als brandaktueller „Stoff der Stunde“ verhandelt wird – werde man jedoch aller Voraussicht nach verzichten.

Das Theater im Bauturm ist eines der etabliertesten Theater Kölns – das dürfte sich auch nach der Corona-Krise kaum ändern. „Es gilt nun, Solidarität zu zeigen. Und das hat die Szene hier in Köln bisher beachtenswert umgesetzt“, sagt Laurenz – und ein Schlusswort darf natürlich nicht fehlen: „Wir vermissen die Leute, unser Publikum. Wir hoffen, dass alle gesund aus dieser Situation hervorkommen und dass wir bald wieder zusammenkommen können – gestärkt und als Gemeinschaft.“

Foto 1: Das Schild des Theaters hängt einsam und verlassen am Eingang des Hauses.
Foto 2: Thomas Dahl – von links nach rechts: René Michaelsen (Dramaturgie), Laurenz Leky (Intendanz), Lynn Wellens (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), Bernd Schlenkrich (Geschäftsführung) 

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