Neupräsentation der zeitgenössischen Sammlung
Das Museum Ludwig besitzt eine der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Und regelmäßig kommt Neues dazu. Doch Sammeln allein tut es nicht, die Objekte sollen auch ausgestellt werden. Und – so der Anspruch – auch erklärt werden. Das geschieht jetzt mit 45 Arbeiten von 34 Künstlerinnen und Künstlern. Passenderweise mit Bezug auf den US-Pädagogen und Philosophen John Dewey, der der Ausstellung auch den Titel gab: „John Dewey, Who?“
„Wer ist John Dewey?“ Das fragte sich auch Kuratorin Barbara Engelbach, als ihre Kollegin Janice Mitchell das Projekt vorschlug. Für Mitchell, die in den USA zur Schule ging, war Dewey (1859-1952) kein Unbekannter. Er ist Verfasser zahlreicher Bücher über den Zusammenhang von Kunst, Pädagogik und Gesellschaft. Der Kunst maß er dabei eine besondere Rolle zur Entwicklung der Persönlichkeit und einer demokratischen Gesellschaft bei.
Ein „Archiv“ zeigt John Deweys Ideen und Künstler-Statements
Seine Bücher und die von Kollegen liegen in einem separaten „Archiv“ im Untergeschoss des Museums aus. Hier hängen auch die Statements der ausgestellten Künstler und Künstlerinnen über ihre Beziehung zu Dewey oder ihr Verständnis von Kunst und Kunstvermittlung aus.
So erzählt Maria Lassnig vom Kunstunterricht in der NS-Zeit, als Impressionisten und Expressionisten als entartet galten, eine Bewertung, von der sie sich erst befreien musste. Ähnlich die Erfahrungen von Erik Bulatov, der während seines Moskauer Kunststudiums in den frühen 1950er Jahren nicht von der russischen Avantgarde erfuhr. Martin Kippenberger lästert über den Kunstbetrieb, Marcel Odenbach klagt über die Schwierigkeit, heute als Kunstprofessor von seinen Schülern Energie und Ausdauer zu fordern.
Das Betrachten eines Kunstwerks schafft dieses neu
Wer das alles studiert hat, sieht die zum Teil schon früher präsentierten Kunstwerke sicher mit anderen Augen. Oder sollte man das Labor erst am Schluss besuchen? Oder hin und her wechseln? Zum gesteigerten Selbstwertgefühl des Betrachters sollte Deweys These beitragen, dass ein Kunstwerk durch das Betrachten neu geschaffen wird.
Dann also gleich zwischen den Künstler-Statements die erst im Vorjahr angekaufte Arbeit von Gülsün Karamustafa: „Presentation of an Early Presentation“ heißt sie. Die türkische Künstlerin zitiert darin ein altes Bild: Es zeigt, wie Turbanträger Frauen prüfen, die zum Kauf oder zur Heirat angeboten werden. Entstanden schon 1996 ist das Bild höchst aktuell, will doch der türkische Präsident aus der internationalen Istanbul-Konvention ausscheiden, die Frauen vor Gewalt schützen soll.
Neuerwerbungen zwischen guten alten Bekannten
Die Arbeit wurde im Vorjahr angekauft und ist jetzt erstmals zu sehen. Ebenso wie die Überwachungsstation „Security By Julia“ von Julia Scher. Auch sie entstand schon vor fast 30 Jahren – und ist überaus aktuell. Wie perfekt ein Staat wie China seine Bevölkerung heute überwacht, konnte die Künstlerin nicht ahnen.
Nach langer Zeit wieder ausgestellt sind Arbeiten von Jochen Lampert, Roman Ondak und Rosemarie Trockel. Zu sehen sind auch Allan Kaprow, Oscar Murillo (um die Jahreswende in „Transcorporealities“ präsentiert), Miriam Cahn, Tom Burr, John Baldessari und Andrea Fraser. Aber manch Bekanntes lässt sich heute aus aktuellem Anlass mit anderen Augen sehen. So Huang Yong Pings „Kiosk“ (1994), der sich als Warnung vor Zensur oder als Abgesang auf die Printmedien verstehen lässt. Oder „Vignette ‚15“ von Kerry James Marshall (Wolfgang-Hahn-Preis 2014): Der US-Künstler beschäftigt sich mit dem Alltag seiner schwarzen Mitbürger – eine Seltenheit in der Kunst, in fast ausschließlich Weiße dargestellt werden.
Die Ausstellung unter dem Label „Neupräsentation der Sammlung für Gegenwartskunst“ läuft zwei Jahre. Spätestens danach sollte man mal wieder die Dauerausstellungen im Museum Ludwig besuchen.
Foto 1: Jürgen Schön – Blick in das „Archiv“: Im Hintergrund die Arbeit „Presentation of an Early Presentation“ von Gülsün Karamustafa, rechts ein Porträtfoto von John Dewey.
Foto 2: Jürgen Schön – Schon 1991 warnte Julia Scher vor einem Überwachungsstaat.
Zeiten:
Bis zum 19. August 2022
Preise:
Eintritt des Museums:
Erwachsene: 11,00 €
Ermäßigt: 7,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Museum Ludwig, Köln
Adresse: Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Telefon:
0221 – 221 261 65
Webseite: www.museum-ludwig.de/de/museum/sammlung/sammlung-gegenwartskunst
KVB:
Linien 5,16, 18: Dom/Hbf
Linie 5: Rathaus