2019 stand der große Wohnwagen schon bereit für den „Marsch der Versöhnung“: Der sollte vom Konzentrationslager Auschwitz nach Köln führen – der Weg, den die Überlebenden der Sinti-Familie Reinhardt zurück in ihre Heimatstadt Köln gingen. Corona kam dazwischen. Jetzt steht der Wagen vor dem NS-Dokumentationszentrum. Erinnert unter dem Titel „Klänge des Lebens“ an Verfolgung und Völkermord. Gibt den Überlebenden Gelegenheit, von ihrem Schicksal zu erzählen. Und öffnet den Blick auf eine Kultur, die auch heute noch vielen unbekannt ist. 

Wörtliche Überlieferung ersetzt Bücher 

25 Überlebende der NS-Mordmaschinerie Menschen erzählten dem Verein „Maro Drom – Kölner Sinte und Freunde“ ihre Lebensgeschichte. Für viele waren es schmerzhafte Erinnerungen. Und nicht immer frei von aktuellen rassistischen Erfahrungen. Umso wichtiger sind diese Tondokumente. „Die Alten sind unsere Bücher, denn unsere Sprache Romanes hat keine Schriftsprache“, erklärt Markus Reinhardt ihre Bedeutung. Ohne sie würde die kulturelle Vergangenheit bald vergessen sein. 

Er hat die „Ge-Denk-Station“ zusammen mit seiner Lebensgefährtin Krystiana Vajda organisiert. Kölner kennen ihn auch als Musiker und Veranstalter des „Zigeunermusikfestivals“. Zu seiner Sippe gehörten unter anderem Django und Schnuckenack Reinhardt. 

In Kölns Verwaltung überlebten Nazis das NS-Regime 

Seine Familie lebt schon seit 600 Jahren in Köln. Die Nazis nahmen ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit, noch lange nach 1945 galten die Überlebenden in Deutschland offiziell als „staatenlos“. Von den zwölf Kindern seines Großvaters wurden sechs in Auschwitz ermordet. Dessen traumatischstes Erlebnis: „Als er nach dem Krieg seinen deutschen Pass wiederhaben wollte, saß dort derselbe Beamte, der ihm in der NS-Zeit den Pass abgenommen hatte.“ Und ihm den neuen verweigerte. Das alles auch noch im selben Gebäude – damals die Gestapo-Zentrale, seit 1988 Sitz des NS-Dok. 

Im Wagen können die Besucher an zwei Stationen die Zeitzeugen anhören. Ein weiterer Schwerpunkt sind Dokumente, die an die gewaltsame Enteignung der Sinti und Roma erinnern. „ Was sie nicht brauchen konnten, verbrannten die Nazis“, so Reinhardt. Das traf vor allem die Musiker, denen ihre Instrumente weggenommen wurden. Nicht weniger wichtig aber ist das umfangreiche Begleitprogramm mit Lesungen, Gesprächen und Konzerten, das bis zum 26. Juni angeboten wird. 

———————————-

„Klänge des Lebens. Geschichten von Sinte*zze und Rom*“ – bis 26. Juni, Vor dem NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25. Di-Fr 10-18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr. Eintritt frei.

———————————-

Foto: Jürgen Schön – Krystiana Vajda und Markus Reinhardt auf der Eingangstreppe zum Ausstellungs-Wohnwagen der „Klänge des Lebens“.

Diesen Artikel weiterempfehlen: