Folgen und „Ursachenbewältigung“

Am 6. März 1945 marschierten die ersten US-Truppen in Köln ein. Mitte April war dann auch der rechtsrheinische Teil von der Nazi-Diktatur befreit. Langsam kehrten die evakuierten Kölnerinnen und Kölner in ihre zerbombte Stadt zurück und begannen mit den Dagebliebenen den Wiederaufbau. An diese ersten Nachkriegsjahre erinnert die eindrucksvolle Ausstellung „Köln 1945 – Alltag in Trümmern“ im Stadtmuseum. 

Köln in Trümmern – die Innenstadt war fast zu 90 Prozent zerstört. Ein Modell vermittelt eine Ahnung von dem Bild, das sich den gut halben Millionen Kölnern und Kölnerinnen bot, die mit ihrer Habe auf einem Handkarren in ihre befreite Heimatstadt zurückkehrten. Schon im vorigen Oktober kam die Ruinenlandschaft ins Museum, denn eigentlich sollte die Ausstellung wenig später eröffnet werden. Doch dann kam der 2. Corona-Lockdown. 

Das 5 mal 5 Meter große Modell im Maßstab 1:200 diente als Kulisse für den Film „Über die Unendlichkeit“ des schwedischen Regisseurs Roy Andersson. Gezeigt wird es jetzt im Erdgeschoss des Zeughauses, wie in einem Zelt geschützt von dunklen, undurchsichtigen Plastikplanen. Umgeben ist es von Baumaterial – schließlich wird das Gebäude nach einem Wasserschaden seit 2017 saniert. 

Erholung zwischen Trümmer-Räumen 

Eine – unfreiwillig – passende Überleitung zum anderen Teil der Ausstellung in der benachbarten Alten Wache. Hier wird das gesellschaftliche, politische, kulturelle und ökonomische Überleben in den Trümmern dokumentiert. Fotos zeigen Frauen beim „Fringsen“, dem erzbischöflich erlaubten Brikettklau von einem Lastwagen. Oder Kölner beim Trümmerräumen: Die Steine der zerstörten Häuser wurden zum Neubau gebraucht. Dazu gab es sogar ein Lied: „Schöppe schöppe, es jitz Trump“ hieß es im Refrain. Das Vergnügen ließen sich die Kölner schließlich nicht verbieten. Beim Gastspiel der „Czardas-Fürstin“ entspannte man sich im Williamsbau, genoss das Variete-Theater „Tazzelwurm“ oder die Veranstaltungen im Military Government Theatres. 

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Aus der Not wurde eine Tugend: Aus Grathülsen wurden Milchkannen, aus den Filtern von Gasmasken Küchensiebe oder die Räder von Spielzeugautos. In den Trümmern funktionierten Kinder verbogene Stahlträger zu Rutschen um. Aus Fallschirmstoff und Autoreifen hatte sich ein Kölner die Schuhe gemacht, auf denen er 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenenschaft in seine Heimat zurückkehrte. Sogar eines der damals so begehrten Care-Pakete hat bis heute überlebt. 1.000 bis 1.500 Kalorien sollte ein Kölner täglich auf Karten erhalten 

Kommunalwahlkampf mit Tünnes und Schäl 

Tünnes und Schäl wählen CDU – so warb 1946 die CDU auf einem Plakat um Stimmen für die erste Kommunalwahl nach der NS-Diktatur. Die SPD versuchte es mit einem nostalgischen Blick zurück in die Kölner Geschichte, setzte vor allem auf die Erinnerung an die gute alte Römerzeit. Vergeblich – sie kam trotz ihrer „Gewogen und für gut befunden“-Kandidaten nur auf 35 Prozent der Stimmen, die CDU auf 53.  

Gewogen und für gut befunden – das bezog sich auf die Ergebnisse der Entnazifizierung durch die britischen Behörde, die Mitte 1945 den Amerikanern gefolgt war. Die Auswertung der Fragebogen hatte – von heute aus betrachtet – oft nur kurzfristige Folgen. Drei Beispiele zeigen dies. Festkomitee-Vorsitzender Thomas Liessem, in den 1930er verantwortlich für antisemitische Wagen im Rosenmontagszug, wurde 1947 dazu verurteilt, keine Führungsposition mehr im Karneval zu bekleiden – 1954 war er wieder Vorsitzender und verklärte das Festkomitee zum Widerstandsnest. 

Gauleiter des Köln-Aachen Gaues Josef Grohé, der zum Endkampf aufrief, gab sich geläutert, eine vierjährige Gefängnisstrafe galt durch seine Internierung als verbüßt. Er starb 1987 in Köln-Brück. Schließlich Kurt Freiherr von Schröder, Präsident der Wirtschaftskammer Rheinland und Ehrenmitglied der SS: Zwar wurde das anfängliche Urteil über drei Monaten Haft und 1.500 Reichsmark-Strafe nach einigen Berufungen verschärft, doch lebte er bis 1966 unbehelligt auf seinem Gut in Schleswig-Holstein. Nicht zu vergessen die „Persilscheine“, die manche Volksgenossen plötzlich vorweisen konnten.    

Schuld am Krieg: Hitler und die Nazis 

Schuld an der Zerstörung Kölns waren in der allgemeinen Wahrnehmung der Deutschen zunächst die Bombenangriffe der Alliierten. Das rückte die Stadtverwaltung Mitte 1945 – gefördert von der britischen Besatzungsbehörde – mit einer Plakatserie zurecht: Sie hing Plakate auf, die Kölner Wahrzeichen zeigten. Darunter Sätze wie: „Dem Kölner Dom wär nichts passiert, hätt’ Adolf Hitler nicht regiert“. Oder unter der brennenden Rathauslaube: „Trümmer hat der Krieg gebracht, den die Nazis angefacht“.

Mit Blick von heute lassen sich diese Plakate auch als ungewollte Basis für die spätere Selbstentschuldung der Deutschen in der jungen Bundesrepublik sehen: Nicht der einfache NSDAP-Wähler war schuld an den Verbrechen der Nazi-Diktatur, sondern eben die Nazis. Man selber war ja keiner oder war dazu gezwungen worden. Kein Hinweis darauf, wer Hitler und die Nazis an die Macht gebracht hatte. Immerhin machten sich die Briten auch Sorgen um den Denkmalschutz. Diese Unterstützung könnten Denkmalschützer heute durchaus wieder brauchen…

Noch heute erinnern Häuserlücken an den Bombenkrieg

Vielleicht sollte man auch eine der Baulücken unter Schutz stellen, die es – von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen – seit dem „1000-Bomber-Angriff“ vom 31. Mai 1942 in Köln immer noch gibt: einstöckige Häuser zwischen mehrgeschossigen Nachkriegs-Neubauten. So etwa ein Schnell-Imbiss am Beginn der Zülpicher Straße. Auch an diese Nachlassenschaften erinnert die Ausstellung. Dazu gehören etwa die Bunker, heute in Mülheim als „Kulturbunker“ genutzt, der Trümmerberg an der Inneren Kanalstraße oder die regelmäßigen Bombenfunde bei Bauarbeiten. Schließlich noch die Mahnmale, die – oft erst nach zähen, langjährigen Diskussionen – an die Opfer der Nazi-Verbrechen erinnern. 

Da empfiehlt sich doch noch ein Besuch im quasi um die Ecke liegenden NS-Dokumentationszentrum. Hier wird gezeigt, es waren nicht „die Nazis“ oder allein Adolf Hitler, die den Krieg gebracht haben, sondern alle, die als kleine und große Mitläufer nicht widerstanden haben. 

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Foto 1: Jürgen Schön – Das zerstörte Köln im Jahr 1945: Modell zur Ausstellung im Stadtmuseum (nach der Ankunft im Museum, Ausschnitt).
Foto 2: Jürgen Schön – „Köln nach 1945 – Leben in Trümmern“: Blick in die Ausstellung. 

Zeiten:

bis zum 27. Juni 2021

Preise:

Eintritt:
Regulär: 5,00 €
Ermäßigt: 3,00 €

Eintritt nur nach Anmeldung mit Zeitfenster
Ein innerhalb der letzten 24 Stunden getätigter negativer Cioona-Test muss nachgewiesen werden

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Kölnisches Stadtmuseum
Adresse: Zeughausstraße 1–3, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 223 98
Webseite: www.koelnisches-stadtmuseum.de/Koeln-1945
KVB: Linien 3, 4, 5, 16, 18: Appellhofplatz

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