Die Kulturszene in ganz Deutschland steckt in der Bredouille. Fehlende Einnahmen durch weggebrochene Aufführungen, geschlossene Museen und Galerien sowie abgesagte Konzerte und Festivals treffen nicht nur die Veranstalter hart, am meisten betroffen sind die Künstlerinnen und Künstler, die zum Teil existenzbedrohende Finanzeinbußen einstecken müssen. Die Kölner Theaterkonferenz hat nun einen Appell an die Entscheidungsträger in der Kölner Politik und Verwaltung in Form eines offenen Briefes veröffentlicht, den wir hier für euch im originalen Wortlaut abdrucken:

 

An die Entscheidungsträger*innen in Politik und Verwaltung in Köln

Hilfe jetzt!

Sehr geehrte Damen und Herren.

Als schwerste Krise seit dem zweiten Weltkrieg hat unsere Bundeskanzlerin die aktuelle Corona-Krise bezeichnet – man wird ihr da nur schwer widersprechen können. Staatliche Einrichtungen haben mittlerweile massiv in unser aller Leben eingegriffen; auch hier verbietet sich jeder Widerspruch. Gleichzeitig erleben wir eine beispiellose, nie da gewesene Bereitschaft der öffentlichen Hand, die drohenden finanziellen Katastrophen zu kompensieren oder zumindest abzufedern. Die hier genannten Summen entziehen sich nahezu der Vorstellungskraft.

All diese Maßnahmen, bei denen offensichtlich auch die freischaffenden Künstler*innen Berücksichtigung finden werden, gehen in die richtige Richtung – aber sie dauern zu lange. Was wir aber brauchen ist Hilfe jetzt! Nicht morgen oder übermorgen. Es ist ja nicht die Schuld der Schauspieler*innen, dass sie nicht mehr spielen dürfen und somit auch kein Geld verdienen. Es ist ja nicht die Schuld der freien und privaten Theater (und anderer Kultureinrichtungen natürlich auch), dass das Publikum uns nicht mehr besuchen darf und wir keine Einnahmen mehr erzielen.

Die politischen Entscheidungsträger*innen erwarten von uns eine aktive, umgehende Beteiligung an der Bewältigung der Krise. Aber dafür brauchen und erwarten wir umgehend Hilfe. Ein Rettungsschirm wird doch dann gebraucht, wenn es anfängt zu regnen, nicht erst, wenn wir alle bereits durchnässt sind; wenn jemand fällt, und nicht erst, wenn er am Boden liegt.

Bundeskanzlerin Merkel hat in ihrer gestrigen Rede die deutsche Wiedervereinigung und das Ende des zweiten Weltkriegs in einem Atemzug genannt. Nach dem Mauerfall 1989 wurden überall zusätzliche Auszahlungsstellen für das so genannte Begrüßungsgeld eingerichtet. Sofort, unbürokratisch und dringend geboten – zwar sicher nicht fehlerfrei aber lebensrettend. Warum sollte, was damals möglich war, heute scheitern?

Wir sind überzeugt, dass Bund, Land und Kommune die freien Künste finanziell erheblich unterstützen werden und wir unterstützen das ausdrücklich. Aber, so wie aktuell unser „normales“ Leben eingeschränkt wird, so muss sich auch die staatliche Bürokratie einschränken. Wir können nur an alle Entscheidungsträger*innen appellieren, über den eigenen, bürokratischen Schatten zu springen. Niemand wird Ihnen vorwerfen, wenn bei der Durchführung von Sofortmaßnahmen auch Fehler passieren; wir alle haben Verständnis für den Druck, unter dem Sie gerade arbeiten. Und alle aktuellen Maßnahmen muss man in wenigen Wochen ohnehin erneut überprüfen. Also jetzt:

1. Wir brauchen dringend einen einfach zugänglichen Sofortfonds für unverschuldet in Not geratene Künstler*innen und Einrichtungen der freien und privaten Kulturszene; und das nicht erst in zwei bis drei Wochen, sondern sofort! Der deutsche Kulturrat hat dies ja schon vor Tagen gefordert. Und bitte bedenken Sie, dass in der aktuellen Situation den Künstler*innen, die selten über finanzielle Rücklagen verfügen und dass auch andere Verdienstmöglichkeiten nicht mehr offen stehen.

2. Die Stadt Köln muss ihre Mittel für Liquidationshilfen erheblich aufstocken und nicht durch Umverteilung in den einzelnen Ressorts, sondern durch Aufstockung des Gesamthaushalts. Die Hilfen müssen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden, im Zweifel durch Pauschalbeträge. Wie und ob überhaupt eine Rückzahlung erfolgen muss, kann man später diskutieren, wenn die Modalitäten der Bundes- und Landeshilfe feststehen. Die so genannte „schwarze Null“ muss dringend in Quarantäne geschickt werden.

3. Wir brauchen klare, unmissverständliche Aussagen. Formulierungen der letzten Woche wie „Wir raten davon ab, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen“ o.ä. waren wenig hilfreich. Dies gilt leider auch für den Brief von Oberbürgermeisterin Reker an die Vertreter*innen der Kulturszene Köln, den wir ansonsten sehr richtig und wichtig finden. Formulierungen wie „in der Regel“ oder „im Einzelfall prüfen“ sprechen von bürokratischer Mutlosigkeit und führen darüber hinaus aktuell eher zu Verwirrung und Nachfragen statt zur Beruhigung.

„Kultur lebt in Köln“ – so lautet das Motto des Kölner Kulturmarketings. Wir wissen, dass wir hier alle ein gemeinsames Ziel haben. Mit Ihnen zusammen werden wir dafür arbeiten, dass die Kultur in Köln lebendig bleibt, und über mittel- und langfristige Auswirkungen der Corona-Krise und über Lösungsmöglichkeiten werden wir weiterhin das Gespräch mit Ihnen suchen.

Aber in der aktuellen Situation möchten wir dringend an Sie appellieren, die freien, nicht abgesicherten Kulturschaffenden nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Menschen brauchen Ihre Hilfe jetzt!

Für den Vorstand

Dietmar Kobboldt

Foto: metropol Theater


Wir als Rheinerlei haben ein Spendenkonto für freie Künstlerinnen und Künstler angelegt. Falls ihr also das nötige Kleingeld habt, so könnt ihr hier mehr erfahren: Solidarität und Zusammenhalt – Die Kultur braucht unsere Unterstützung

Alternativ könnt ihr auch einfach hier einen Obolus spenden:

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