Natur und Kunst
Die vom Klimawandel bedrohte Natur und ihre Wahrnehmung durch die Kunst steht thematisch im Mittelpunkt der 10. Ausgabe des Skulpturenparks zwischen Zoo und Rhein. Ihr Motto: „Über-Natur – Natural Takeover“. Organisatorisch wird sie von der Corona-Pandemie geprägt: Nur zwei der eingeladenen acht Künstler konnten ihre Arbeiten persönlich aufbauen. Zusammen mit den 38 aus den Vorjahren übernommenen Werken machen sie den Park wieder zu einem lohnenden Ausflugsziel.
Beim Eintritt zieht sofort die raumgreifende Arbeit der Kölnerin Mary Bauermeister die Blicke auf sich. Aus 130 verwitterten Baumstämmen hat sie auf der sommertrockenen Wiese einen Sitzkreis aufgebaut. Einige davon sind mit Hirschgeweih und Widderhörnern geschmückt. Die Installation hat sie Rübezahl – so auch der Titel – gewidmet. Der sagenhafte Herrscher des Riesengebirges liebte es, den Menschen Streiche zu spielen. Für Bauermeister steht er symbolisch für die Unberechenbarkeit der Natur. Darüber zu meditieren, lädt sie ein.
Libellenlarve wird zum Kunstwerk
Neben dem Kölner Altstar ist der Berliner John Bock der andere Künstler, der seine Arbeit selber installieren konnte. Der Titel „Schlupf“ spielt auf die Insekten an, die erst dann „fertig“ sind, wenn sie aus ihrer Larvenhaut geschlüpft sind. Wobei diese Zeit ihres Lebens oft länger ist als die des eigentlichen Insekts. Bock hat der Hülle einer Libellenlarve ein überdimensionales Grabmal gesetzt, dabei das filigrane Naturrelikt – geschützt in einem gläsernen Kubus – in eine streng komponierte Metallstele und brausende Musik gehüllt.
Die Trockenheit hat den Wiesen des Skulpturenparks sichtbar zugesetzt. Den Bäumen sieht man es noch nicht an. Wie die Wälder der Zukunft aussehen könnten, zeigen zwei Kiefern aus Plastik und Metall, die man zwischen ihren natürlichen Artgenossen fast übersieht. Sie kommen aus China und dienen dort als Funkmasten – die „Natur“ als Attrappe, um Technik zu übertünchen. Dane Mitchell bringt ihnen das Sprechen bei: Über das Wifi-Netzwerk „posthoc“ (so auch der Titel der Arbeit) lässt sich eine Liste verschwundener Dinge abrufen.
Denkmal für eine ausgestorbene Schneckenart
Verschwunden aus der Natur ist auch die Baumschnecke Achatinella Apexfulva. 14 Jahre lang lebte das letzte Exemplar dieser Art in einem Labor auf Hawaii, 2019 starb es. Ayse Erkmen hat es in Bronze nachgegossen und „Lonesome George“ genannt – so hieß auch eine Riesenschildkröte, mit der 2012 die letzte ihrer Art auf den Galapagos-Inseln ausstarb. Zufall, dass das kleinste Exponat der neuen Ausstellung ausgerechnet auf einer Platane sitzt, einem Straßenbaum, dem der Klimawandel heftig zu schaffen macht?
Eine Liebesgeschichte zwischen Natur und Technik erzählt Trevor Yeung mit „Two Reliers“: Ein Ginkgobaum umschlingt eine Straßenlaterne. Sie stützt ihn und fördert durch ihre nächtliche rosa Leuchtwärme sein Wachsen. Katja Novitskova untersucht in „Approximation (corn snakes hatching)“ die Darstellung der Natur mit modernster Technik. Auf zwei Aluminiumscheiben hat sie superrealistisch die Köpfe von Schlangen gedruckt, die aus den Scheiben wie aus Eiern herauskriechen.
Als weiße Falter grau wurden
Eier sind ein Symbol für Leben. Die Eier, die Guan Xiao in ihrer Installation einbaute, sind allerdings leer, ihre Schalen sind runzlig. Über ihnen thront ein Hashtag-Zeichen: Auch bei „Old Eggs and the Catcher“ hat die moderne Kommunikation begonnen. Die natürliche Farbe des Birkenspanners ist weiß. Im 19. Jahrhundert wurde er in England grau: So passte er in der Zeit der beginnenden Industrialisierung seine Tarnung der verschmutzten Luft an. Leelee Chan greift die Anpassung der Natur an die Technik in „Blindfold Receptor/Guld frit orange)“ auf: Seine Stahlstele besteht aus unzähligen raupenähnlichen Einzelteilen.
Kurator Tobias Berger musste die Ausstellung von Hongkong aus organisieren, wo er seit Jahresbeginn wegen Corona festsitzt. Schwierige Umstände – doch das Ergebnis ist sehenswert und mit leichter Hand und passend in die Natur gesetzt. Die Künstler dürften mit der Umsetzung durch fremde Hand mehr als zufrieden sein und ihren Auftritt in Köln nicht aus ihrer Werkliste streichen. Anders als Christo: Der ließ 1971 nach seinen Plänen die Burg im Eifelstädtchen Monschau verhüllen. Weil er es aber nicht selber tat, sondern ausführen ließ, nahm er diese Aktion nicht in sein Ouevre auf.
Neben den acht neuen Arbeiten sind Werke unter anderem von James Lee Byars, Peter Fischli / David Weiss, Barry Flanagan, Dan Graham, Leiko Ikemura, Hubert Kiecol, Per Kirkeby, Ulrich Rückriem, Rosemarie Trockel, Simon Ungers und Heimo Zobernig zu sehen.
Foto 1: Jürgen Schön – Mary Bauermeister „Rübezahl“
Foto 2: Jürgen Schön – John Bock „Schlupf“
Foto 3: Jürgen Schön – Katja Novitskova „Approximation (corn snakes hatching)“
Zeiten:
Täglich geöffnet
April bis September:
10:30 – 19:30 Uhr
Oktober bis März:
10:30 – 17:00 Uhr
Preise:
Eintritt: Frei!
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Skulpturenpark Köln
Adresse: Riehler Straße (Haupteingang), 50668 Köln
Webseite: www.skulpturenparkkoeln.de/de/ausstellungkoelnskulptur/koelnskulptur-10
KVB: Linie 16, 18:
Reichenspergerplatz