Fast 10.000 Euro für die Umsetzung der Schutzmaßnahmen ausgegeben
Um den Einfall wurde das „Theater im Bauturm“-Team von den Kollegen und Kolleginnen anderer Theater beneidet: Als die Stuhlreihen im Rahmen der Corona-Beschränkungen ausgedünnt werden mussten, wurden an der Aachener Straße die Lücken mit Abstellkisten für Getränke gefüllt. Ein kurzes Vergnügen: Schon bald mussten die Zuschauer auch während der Vorstellungen Masken tragen und durften keine Getränke mehr aus dem Foyer in den Saal mitnehmen. Chefdramaturg René Michaelsen erzählt, wie sein Theater mit der aktuellen Corona-Schließung umgeht.
1. Welche Fördergelder habt Ihr beantragt und wie lief die Antragsstellung ab?
- – NRW-Soforthilfe
- – Notfallfonds der Stadt Köln zur Struktursicherung von freien Kulturinstitutionen
- – Kurzarbeitergeld für die Monate März, April und Mai
- – Sofortprogramm Neustart Kultur vom Bundesverband Soziokultur
- – Zwei laufende Anträge im Programm #Takethat, Fonds Darstellende Künste (beantragt, aber noch nicht beschieden)
Die Antragstellung verlief unterschiedlich aufwendig, letztlich aber immer zielorientiert und reibungslos. Neben den Fördergeldern haben uns zahlreiche private Spenden unterstützt, viele davon aus dem Umfeld des Vereins der Freunde und Förderer des Theater im Bauturm.
2. Kann das Theater die nächsten drei Monate unter den aktuellen Bedingungen überleben?
Ja. Dank der Strukturförderung und der zahlreichen Spenden ist die Grundversorgung des Theaters auch ohne Einnahmen aus dem Vorstellungsbetrieb glücklicherweise vorerst gesichert.
3. Welche Sicherheitsmaßnahmen habt Ihr umgesetzt und wie viel Geld habt ihr dafür eingesetzt?
Wir haben die Umluftanlage unseres Theatersaals warten lassen und einen Hochleistungs-Luftreiniger mit Virenfilter für unsere Probebühne angeschafft – ganz abgesehen von den großen Mengen an Desinfektionsmittel, die wir für unser Publikum und unsere Belegschaft fortdauernd zur Verfügung stellen. Insgesamt haben wir zu diesem Zweck ungefähr 10.000 Euro ausgegeben.
Alle diese Maßnahmen sollen bei uns jedoch nicht nur den Theaterbesuch und die tägliche Arbeit sicherer machen, vielmehr sind sie durch unsere in den Lockdowns gedrehten Videos oder Kieran Joels Inszenierung „Das Theater und sein Double“ nach Antonin Artaud längst szenisch erschlossen und auf ihr performatives Potential hin befragt und verwertet worden. Wie Menschen über hinderliche Konventionen hinweg zu kommunizieren und Gemeinschaft herzustellen versuchen, wird durch die Hygiene- und Abstandsregeln noch einmal in deutlicher Zuspitzung sichtbar. Daraus resultiert auch ein großes tragikomisches Potenzial, das wir in den kurzen Filmen auf unserer Homepage und in den sozialen Medien auszuloten bemüht sind.
4. Wie viele Arbeitsplätze sind gefährdet – für Feste und Freie?
Für unsere festen Mitarbeiter*innen in Verwaltung und Technik besteht aufgrund der Förderung durch Stadt und Land sowie dank der derzeitigen Hilfsprogramme vorerst keine Gefahr. Die Schauspielerinnen und Schauspieler unserer Ensembles arbeiten frei an unserem Haus und werden im Rahmen der ausfallenden Vorstellungen von uns entsprechend kompensiert. Als selbständige Künstlerinnen und Künstler sind sie von den Einnahmeausfällen wesentlich unmittelbarer betroffen als die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Theaters, aber auch für sie gibt es spezifische Hilfsprogramme.
5. Wie haben sich die Lockdowns auf Eure mittel- und langfristige Planungen ausgewirkt?
Sofort nach Verkündung des ersten Lockdowns haben wir uns entschieden, keine Produktionen abzusagen, sondern lediglich zu verschieben. Darüber hinaus haben wir unser Projekt „Biotopia. Ein Kölner Bestiarium“ vorgezogen – mit diesem Theaterabend, den wir als Theaterleitung (Laurenz Leky, Bernd Schlenkrich, René Michaelsen) nicht nur selber spielen, sondern auch geschrieben und inszeniert haben, können wir flexibel auf die Planungsunsicherheit im Spielplan reagieren und auf diesem Wege auch den strapazierten Haushalt des Theaters entlasten. Zu einem „Premierenstau“ fertig geprobter Inszenierungen, von dem andere Häuser berichten, ist es daher bisher am Bauturm nicht gekommen. Einzig die Produktion „Leutnant Gustl“ mit Karolina Horster (Regie: Nick Hartnagel) ist aktuell von dieser Unklarheit betroffen, wurde allerdings auch bereits im Wissen um die dispositorische Unwägbarkeit auf den Spielplan gesetzt. Eine verlässliche langfristige Planung ist angesichts der Dynamik der Krise aktuell nicht möglich. Dadurch können und müssen wir spontaner, impulshafter und kurzfristiger reagieren – das ist Herausforderung und Befreiung zugleich.
6. Was erwartet Ihr von der Politik und wie bewertet Ihr das bisherige Vorgehen?
Die Kommunikation zwischen öffentlichen Organen und Theaterszene war oft sehr kurzfristig und gelegentlich überstürzt. Grundsätzlich haben wir aber bisher das Gefühl, von der Politik in unserer besonderen Situation wahrgenommen zu werden. Kürzungen im Kulturetat, wie beispielsweise in München und Bamberg bereits geschehen, halten wir für den vollkommen falschen Weg. In Krisenzeiten steigt die Anfälligkeit für populistische Vereinfachung im Angesicht angeblicher Alternativlosigkeit, für Hoffnungslosigkeit und Trübsinn. Da braucht es die Kultur als Ort der Differenzierung und des Entwurfs alternativer Denkräume. Wir sollten aufhören, in Dimensionen von Förderung und Nothilfe zu denken und Kultur stattdessen als integrale Investition in unsere pluralistische Gesellschaft und die Demokratie begreifen.
Foto 1: Jürgen Schön – Rund 10.000 Euro kostete die „Umrüstung“ des Theaters auf Corona-Bedingungen bislang.
Foto 2: Jürgen Schön – Dramaturg René Michaelsen vom „Theater im Bauturm“ warnt vor populistischen Vereinfachungen.