Lebenszeichen aus der kölschen Kulturlandschaft
Der Theaterbetrieb hat sich bekanntermaßen in die Online-Welt verabschiedet. Über unterschiedliche Kanäle bleiben die Theater zwar weiterhin mit Zuschauerinnen und Zuschauern in Kontakt, der wichtigste Aspekt theatraler Arbeit geht dabei allerdings vollständig verloren: die direkte, nahbare Interaktion mit dem Publikum. Am vergangenen Samstag haben sich nun rund 50 Kulturschaffende auf dem Heumarkt versammelt, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Die Forderung: Sichtbar bleiben. Und die möglichst zeitnahe Öffnung bespielbarer Open-Air-Stätten.
Welchen Stellenwert Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft einnimmt, zeigt sich am Beispiel der Initiative „AlarmstufeRot“. Seit letztem Jahr schon ziehen tausende Kulturschaffende durch Berlin und andere Großstädte Deutschlands, um der Politik eine andere kulturelle Handhabe in Zeiten der Pandemie abzuringen. Promis wie Carolin Kebekus, Ruthe oder Campino nahmen bereits an den Veranstaltungen teil, auf den medialen Aufschrei wartete man allerdings vergeblich. Das Thema verebbte mehr und mehr im Sande.
Die jüngste Kölner Kundgebung lässt sich demnach als dringend notwendiges Lebenszeichen einordnen. „Wir sind noch da!“, schrie die Versammlung geradewegs heraus – und sie bewies, dass die Kultur keineswegs kampflos aufgibt.
Öffnet die Open-Air-Stätten!
Aufgerufen dazu hatte Mareike Marx, Leiterin des metropol-Theaters in der Südstadt. Ein spontaner Einfall in der Wochenmitte. An die Einbeziehung etwa der Theaterkonferenz hatte sie dabei nicht gedacht, räumte sie gegenüber Rheinerlei selbstkritisch ein. So kam offensichtlich nur ein kleiner Teil der Kölner Theaterwelt. Marx war trotzdem zufrieden: „Ich bin glücklich, dass trotz der kurzen Vorbereitungszeit so viele gekommen sind.“
Und die, die gekommen waren, hielten sich an die Abstandregeln, trugen Mundschutz. Viele hatten ihre Familien mitgebracht. Das metropol-Theater stellte die meisten Teilnehmer, auch auch das Horizont-Theater war gut vertreten. Dazu die Volksbühne. Ex-Bärbelchen Uschi Hausmann vom Hänneschen-Theater war da, auch Karnevalist Jupp Menth. Der „kölsche Schutzmann“ forderte auf seinem Plakat „Kölsch for future“. Aus Bad Godesberg war Klaus Oppermann, Leiter des „Kleinen Theaters“, stromabwärts gekommen. Am Rande gesehen wurde auch Heinz-Simon Keller, Chef des Theaters der Keller.
Die Forderungen, die von der Kundgebung über den Heumarkt hallten, gingen dabei an die gesamte Gesellschaft und deren politische Vertreter. „Wir bitten die Regierung, Orte, an denen Kunst und Kultur open Air stattfinden könnte, zu öffnen und Kunst und Kultur stattfinden zu lassen, anstatt unsere Branche pauschal zu schließen.“ Schulhöfe, der Tanzbrunnen, die Poller Wiesen, die Möglichkeiten wären schier unendlich, endlich wieder ein wenig Freude in den derzeit ermattenden Alltag zu bringen.
Welche Bedeutung hat Kunst und Kultur für die Gesellschaft?
„Wir verstehen, dass das Virus bekämpft werden muss. Wir sind auch bereit, dafür Opfer zu bringen und unseren Beitrag zu leisten.“ Man sehe allerdings ebenso die Gefahr gesellschaftlicher und sozialer Isolation. „Wir sind soziale Wesen, wir müssen miteinander interagieren!“, so ihr Statement, für das sie zustimmenden Applaus erntete. Der Kulturbetrieb sei eine Möglichkeit, diese Isolation langsam wieder aufzubrechen. Schließlich wünscht man sich auch Planungssicherheit.
Dass das Problem jedoch tiefer liegt als nur auf politischer Ebene, ist der Initiatorin der Kundgebung ebenso bewusst: „Die Kulturbranche ist in der Gesellschaft nicht genügend anerkannt“, schloss sie ihre Ausführungen. Sie wünsche sich, „dass endlich anerkannt wird, dass wir wichtig sind“.
Eines steht fest: Wie eine Gesellschaft ohne greifbare künstlerische Einflüsse dahinsiecht, lässt sich mittlerweile allerorts beobachten.
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Foto 1: Tim Hildebrandt – Mareike Marx hält auf dem Kölner Heumarkt eine flammende Rede für die Kölner Kulturszene.
Foto 2: Jürgen Schön – Rund 50 Kulturschaffende aus der Stadt folgten dem Aufruf.