Liebe die Zweite
„3 x Liebe“ serviert das Wallraf-Richartz-Museum seinen Besuchern in diesem Jahr. Den ersten Gang beherrschten – noch vor der Corona-Zwangspause – Amors Abenteuer, erzählt vom Flamen Otto van Veen. Der zweite Gang heißt „Liebe am Abgrund“: ein Dialog zwischen den Symbolisten Max Klinger und Alfons Munch über das „Drama der Geschlechter“. Gefeiert wird damit gleichzeitig Klingers Todestag, der sich am 5. Juli zum 100. Mal jährt.
Der eine Gesprächspartner ist Max Klingers 15-teiliger düsterer Radier-Zyklus „Ein Leben“. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die von der großen Liebe träumt. Ihr Sehnen wird erhört, mit dem Geliebten schwimmt sie im Meer – und wird von ihm verlassen. So landet sie, buchstäblich, in der Gosse und lässt sich als leicht bekleidete Ballerina vom männlichen Publikum begaffen. Sie begeht Selbstmord – und wird trotzdem von Jesus aufgenommen, der hier schwanger zu sein scheint. „Leide!“, fordert die Schrift am Kreuz.
Warnung vor Frauenträumen oder Anklage der Doppelmoral?
Eine Aufforderung an die Frau, sich nicht den gesellschaftlichen Normen zu entziehen, die um 1880 galten, als der Zyklus entstand? Eine Warnung an die Frau davor, in Sachen Liebe das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen? „Nein“, sagt Kuratorin Anne Buchhoff, „Klinger klagt hier die gesellschaftliche Doppelmoral seiner Zeit an.“
Seine Bilder – eine Leihgabe der Letter-Stiftung – stehen in direktem Kontakt zu neun Arbeiten (Lithographien, Holzschnitte) aus der hauseigenen Edvard-Munch-Sammlung. Auch der Norweger – sieben Jahre jünger als sein Vorbild Klinger – macht die Liebe mit all ihren Aspekten zu seinem Thema. Und kommt dabei auch zu anderen Sehweisen. Während etwa der Berliner sein nacktes Liebespaar zu einem wilden Ritt auf gefährlichen Drachenfischen unter die tosenden Wellen schickt, ist von Munch ein sich still und zärtlich liebkosendes Paar am Fenster zu sehen. Und wenn Klinger seine Unglückliche im Wasser ertrinken lässt, hängt daneben ein in den Wellen spielendes Paar von Munch.
Wenn die Freundin zur Salome wird
Dem sind aber auch die dunklen Seite der Liebe nicht unbekannt. In Einsamkeit vereint stehen bei ihm Mann und Frau am Strand. Und sich selber sieht er in einem Doppelporträt in den Fängen seiner Freundin, der Violinistin Eva Medocci, die er hier mit gequältem Gesicht „Salome“ nennt. Die männermordende Königstochter gibt es auch von Klinger, allerdings als eher gelangweilt blickendes, sehr realistisches Gipsköpfchen.
Unterm Strich ein angeregter, anregender Dialog, bei dem sich beide Künstler irgendwie einig sind: Schuld am Geschlechter-Drama ist die Frau. So steht bei Klinger am Anfang seines Zyklus die biblische Eva. Die holt zwar die Kastanien aus dem Feuer für das, was sie angerichtet hat. Aber sie war es schließlich, die die verbotene Frucht genascht hat. Und auch für Munch ist die Sünde eine Frau: nackt, rothaarig, grünaugig. Schließlich heißt es ja auch die Sünde und nicht der…
Foto 1: Letter Stiftung Köln – Max Klinger: „Verlassen“ (Radierung, Kupferstich (?), Aquatinta, 1880/84. Abzug 1920).
Foto 2: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung – Edvard Munch: „Zwei Menschen – Die Einsamen“ (Farbholzschnitt auf Japanpapier, 1899).
Zeiten:
bis zum 20. September 2020
Preise des Museums:
Eintritt:
Erwachsene: 8,00 €
Ermäßigt: 4,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: https://www.wallraf.museum/ausstellungen/aktuell/2020-06-19-liebe-am-abgrund/
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt