Zeichnen ist eine uralte künstlerische Ausdrucksform. Sie ist bekannt von den ersten Menschen. Und schon kleine Kinder können sich so ausdrücken. Im Rahmen seiner  Ausstellung „Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet“ zeigt das Wallraf-Richartz-Museum jetzt in der Kammerausstellung „Linie lernen – Die Kunst zu Zeichnen“ jetzt, welche Rolle diese Fertigkeit in der Ausbildung zum Künstler spielte. 

Ein gutes halbes Hundert Grafiken aus der eigenen Sammlung werden gezeigt, dazu einige Leihgaben des Kunstpalasts und Privatsammlern. Die Kupferstiche, Radierungen, Holzschnitte und Zeichnungen geben einen Einblick in den Zeichenunterricht vom 16. bis ins späte 19. Jahrhundert. Damals galt Zeichnen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Künstlerkarriere. 

Vor den Modellen tief übers Papier gebeugt 

Und so sieht der Besucher die Kunstschüler, wie sie sich vor den Modellen tief über ihre Papiere beugen. Zeichnen sollen sie antike Skulpturen und  deren Fragmente. Und fleißig wurden die Werke berühmter Kollegen kopiert – etwa Bilder der Laokoon-Gruppe oder einer Herkules-Statue. 

Oder – sicher schwerer zu zeichnen – lebende (Akt-)Modelle beiderlei Geschlechts. In einer Kunstakademie wird ihnen sogar eine menschliche Leiche und ein Skelett präsentiert. So jedenfalls hat es der Flame Giovanni Stradanus in seinem Kupferstich 1578 festgehalten. Schwer nachvollziehen, wie in „Rosaspinas Zeichenschule“ (Giulio Tomba nach Felice Giani, 1811) gelernt werden konnte: Vier Hängelampen erleuchten nur spärlich den Tisch in dem dunklen Raum. Frauen waren lange nur als neugierige Zuschauer zugelassen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durften sie an staatlichen Kunstakademien studieren. Davor standen ihnen nur private Schulen offen. Und Aktzeichnen war ihnen in Deutschland bis 1850 generell verboten. 

Lehrbücher zum Nachzeichnen 

Aber auch gedrucktes Lehrmaterial gab es. Da ist die Vermessung der Proportionen des menschlichen Körpers – nicht von Leonardo da Vinci, wie wir es von der italienischen Euro-Münze kennen, sondern von Albrecht Dürer. Sein Schüler Erhard Schön veröffentlichte 1540 ein Lehrbuch: Darin zerlegte er als Anleitungen zum Nachzeichnen den Mensch in geometrische Körper wie Quader, Würfel oder Kugeln – vorweggenommener Kubismus. 

Ganz naturalistisch dagegen die Kupferstich-Fußstudien von Johann Daniel Herz: Von oben, von unten, von der Innenseite – nur eine Seite aus seinem dicken Lehrbuch „Gründliche und vollkommene Anweisung zum Zeichnen und kunstmässige völlige Ausarbeitung Menschlicher Statur“ aus dem Jahr 1723. 

Ob der Unterricht Erfolg hatte, lässt sich nur erahnen. Die Einblicke, die diese unterhaltsame Ausstellung in die Zeichenschulen bietet, verraten es nicht: Die Ergebnisse auf den Papieren der Schüler sind kaum zu erkennen. 

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Foto 1: Odoardo Fialetti: „Die Zeichenschule“ (Radierung, Venedig 1608) – © Kunstpalast, Sammlung der Kunstakademie Düsseldorf 

Foto 2: Giulio Tomba nach Felice Giani: „Rosaspinas Zeichenschule“ (Radierung und Roulette auf Velin, 1811) © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud 

Zeiten:

bis zum 13. Februar 2022

Preise des Museums:

Eintritt: 
Erwachsene: 11,00 €
Ermäßigt: 8,00 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: https://www.wallraf.museum/ausstellungen/aktuell/2021-10-29-linie/
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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