Am 4. September geht es wieder los: Schauspiel-Chef Stefan Bachmann brennt förmlich, nach der Corona-Zwangspause den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu können. Und so sicher der Neubeginn auch ist – so unsicher sind die Bedingungen, unter denen dann gespielt werden kann. Etwa wie viele Zuschauer kommen dürfen. „Die Prognosen sind ständig anders“, beschreibt der Intendant die Situation.

12 Neuproduktionen stehen alleine bis Jahresende auf dem Programm, dazu 5 noch Tanzaufführungen. Die üblichen Übernahmen aus dem bisherigen Repertoire gibt es keine. Zu kompliziert sei die Uminszenierung nach den geltenden Hygiene- und Abstandsbestimmungen, erklärt Bachmann.

Zentrales Motto: „Mut – Pflicht – Widerstand“

Mit dem neuen Spielplan unter dem Motto „Mut – Pflicht – Widerstand“ reagiere man auf aktuelle Probleme, fasst Chefdramaturgin Beate Heine das Programm zusammen. Etwa den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit und die Frage, was man hier angesichts Corona jeweils zu opfern bereit sei. Vor allem aber, wie sich die Kunst in solchen Zeiten positioniere. Eine Zeit, in der die Menschen voller Unsicherheit darauf warten, wann das Leben endlich wieder „normal“ wird.

„Die Zeit löst sich auf, das Leben selber wird zum Wartespiel“ – so heißt es zu „Warten auf Godot“ (Regie: Jan Bosse), mit dem die Spielzeit eröffnet wird. Eine passende Beschreibung auch für die Wochen während des Corona-Lockdowns. Schon länger aktuell sind Populismus und wachsender Nationalismus – Thema der gut 200 Jahre alten „Hermanns-Schlacht“ von Heinrich von Kleist. Das Stück über den Sieg des Cheruskerfürsten über Varus’ römische Legionen wurde – nicht zuletzt in der NS-Zeit – politisch missbraucht.

Elfriede Jelinek ist gleich zwei Mal vertreten

Gleich zwei Mal ist Elfriede Jelinek dabei. In „Schwarzwasser“ (Regie: Stefan Bachmann) arbeitet sie die Ibiza-Affäre auf, die im vorigen Jahr die rechts-konservative österreichische Regierung platzen ließ. Köln sicherte sich hier die deutsche Erstaufführung. In „Wut“ geht sie der Frage nach, ob der Mensch im Grunde gut oder böse ist – mit deutlich pessimistischerer Sicht. Aktuell ist – obwohl schon vor über 100 Jahren uraufgeführt – immer noch Henrik Ibsens „Nora“ über eine selbstbewusste Frau in einer patriarchalen Gesellschaft.

Die Corona-Krise hat auf erschreckende Weise die soziale Kluft zwischen Arm und Reich in den USA deutlich gemacht – ein Thema, das John Steinbeck in „Früchte des Zorns“ vor 80 Jahren aufgriff. Die Umsetzung des Romans durch Rafael Sanchez ist am 19. Dezember die letzte Premiere in diesem Jahr. Vorher gibt es noch ein Wiedersehen mit Jürgen Flimm, der in den frühen 1980er Jahren Chef am Kölner Schauspiel war. Er inszeniert Friedrich Schillers „Don Karlos“.

Mit zwei Monologen im Trend

Angesichts der Corona-Abstandsbestimmungen liegen Solo-Auftritte im Trend. Im neuen Programm sind sie gleich zweimal vertreten. Stefko Hanushevsky monologisiert Charly Chaplins Hitler-Parodie „Der große Diktator“ und verbindet sie mit seinen eigenen Erfahrungen als Reiseführer. Marie Schleef nimmt sich Günter Grass’ „Blechtrommel“ aus weiblicher Sicht vor.

Mit Ödön von Horvath meldet sich das Jugendensemble „Import Export Kollektiv“ zurück: Es versetzt seinen Polit-Krimi „Jugend ohne Gott“ in die Gegenwart, die geprägt ist von „Hetze, Hass und Hanau“. Die Bühne am Offenbachplatz hat als „Außenspielstätte“ ausgedient, zum Abschied ist hier im Oktober die installative arbeit „Die Walküre“ frei nach Richard Wagner zu sehen. Den öffentlichen Raum gleich an 48 Orten will das Trio „Rimini Protokoll“ erobern: Auf einer Reise durch Köln sollen unter dem Titel „Utopolis Köln“ ein möglicher Gesellschaftsentwurf für das 21. Jahrhundert entwickelt werden. Die Verhandlungen mit der Stadt über die Auftrittmöglichkeiten laufen.

Tanz-Angebot wird ausgebaut

Dank der Förderung durch Land (900.000 Euro) und Stadt (500.000 Euro) sowie Eigenmitteln (ebenfalls 500.000 Euro) kann die Sparte Tanz zunehmend gefestigt werden. Richard Siegal stellt mit seinem „Ballet of Difference“ gleich drei Neuproduktionen Vor (eine davon im nächsten Jahr). Eröffnet wird die Spielzeit am 14. September mit einem Gastspiel von Anne Teresa de Keersmaker: Sie kommt mit „Rosa“ ins Kolumba-Museum. Den Jahresabschluss bildet Hofesh Shechter mit seiner Company. Er bringt gleich zwei Stücke mit: „Double Murder: Clowns“ und „New creation“.

Foto: Jürgen Schön – Schauspiel-Chef Stefan Bachmann stellt das Programm für die kommende Spielzeit 2020/21 vor. 

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