Das wurde aber auch Zeit. Beinahe drei Jahre nachdem der Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde den Zuschlag zur Errichtung des NSU-Mahnmals erhielt, präsentiert das Museum Ludwig nun dessen Modell der breiten Öffentlichkeit. Das Foyer des Museums wird damit zur Präsentationsfläche eines Werkes, dessen gesellschaftlicher Relevanz, unabhängig bürokratischer Hürden, unangefochten weitreichende Bedeutung zukommt, die jedoch im Diskussionsdilemma der Standortsuche mehr und mehr unterminiert wird. Bis zum 28. Juli könnt ihr euch kostenlos einen Überblick darüber verschaffen, inwiefern das geplante Mahnmal den Erwartungen gerecht wird und in welcher Weise es auf die Schrecken des NSU-Terrors aufmerksam macht.
Als 2001 der erste Sprengsatz in einem iranischen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse hochgeht, ist das Entsetzen groß. Drei Jahre später, am 9. Juni 2004, explodiert in der Keupstraße eine Nagelbombe und verletzt 22 Menschen zum Teil schwer. Das institutionelle Versagen im Rahmen der Aufklärung der Geschehnisse und die Gewissheit, dass rechtsextremistischer Terror durchaus lebendig ist, führen zu einer Welle der Verunsicherung. Trauer, Angst und Wut breiten sich in großen Teilen der migrantischen Bevölkerung aus, denn bis die Ermittlungen mal auf den Trichter kommen, dass Rechtsextremisten hinter den Anschlägen stecken, vergehen Jahre. Um dieses Im-Stich-Lassen deutscher Behörden aufzuarbeiten, lotete die Stadt Köln im Jahr 2016 einen Künstler-Wettbewerb aus mit dem Ziel, ein Mahnmal zu errichten, welches Gesellschaft und Behörden fortwährend an das, was passierte, erinnert und welches einen Gegenentwurf zu rassistisch motivierten Attacken bilden sollte.
Mit dieser Intention im Rücken entwarf der Künstler Ulf Aminde ein Werk, dessen Grundstein die Keupstraße selbst ist und das Ausdruck einer starken, sich nicht unterkriegenden Gesellschaft ist. Mit einer Größe von 6 x 24 Metern besteht das Mahnmal aus dem Grundriss des Friseurladens, vor dem die Nagelbombe explodierte, und auf dem ein virtuelles Haus steht, das ihr nur über eine Augmented Reality-App erblicken könnt. „Das ist nicht nur ein Mahnmal für die Anwohner der Keupstraße“, sagt der Künstler bei der Präsentation seines Werkes. „Es ist ein Mahnmal für die Mitte der Gesellschaft. Es ist ein Haus, das sich aus einer Betonplatte erhebt, das das Potenzial hat unendlich in die Höhe zu schießen und aufgrund seiner Materialität von Nazis nicht angegriffen werden kann.“
Schon beim Modell im Foyer des Ludwigs könnt ihr mit Hilfe eines Tablets, welches ihr an der Garderobe ausleihen könnt, einen Blick auf das virtuelle Gebilde werfen, das aus mehreren kleinen Filmchen besteht und das damit einen hohen partizipativen Ansatz verfolgt. Das fertige Mahnmal wird nämlich eure Mitarbeit voraussetzen, denn ein jeder kann eigene Videos produzieren und hochladen, die Bestandteil der virtuellen Wand werden und welche sich so aus vielen kleinen unterschiedlichen Einzelheiten zu einem großen Ganzen zusammensetzt. „Ich dachte an ein Mahnmal, das in die Zukunft hineinführt und sich stetig erweitert“, erklärt Ulf Aminde den Ansatz. „Es soll Ausdruck einer vielfältigen und solidarischen Gesellschaft sein, die stark ist und an gemeinsamen Herausforderungen zusammenwächst.“
Das sieht auch Mitat Özdemir so. Der Vertreter der Initiative „Herkesin Meydanı – Platz für alle“ ist Geschäftsmann an der Keupstraße und weiß um die gesellschaftliche Bedeutung des Mahnmals, auch wenn die Verwirklichung dessen in den letzten Monaten schwerfällig war; und es anscheinend auch weiterhin noch sein wird. „Das Mahnmal ist ein Geschenk für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie. Wir dürfen den Fall der Nagelbombe nicht minimieren, er darf nicht vergessen werden.“ Und so sind sich (fast) alle einig: der beste Standort dafür ist der Eingang zur Keupstraße, an der Schneise zur Schanzenstraße, in der das Mahnmal parallel zum Entwurf gebenden Friseurgeschäft errichtet werden soll.
Doch das birgt weiterhin Probleme, denn Initiatoren, Verwaltung und die Eigentümerin des Grundstückes schieben sich unentwegt den schwarzen Peter zu. Die Eigentümerin des Grundstücks ist eine private Investorenfirma und die hat ihre eigenen Pläne mit dem Grundstück. Die Initiatoren jedoch sehen keinen anderen Ort als geeigneter an. „Es gibt nur diesen einen Ort, der für das Mahnmal in Benutzung gehen kann“, sagt der Künstler. „Es wurde für die Größe dieses Platzes konzipiert. Außerdem kommen dort am meisten Menschen mit dem Mahnmal in Berührung.“
Das Mahnmal, es soll auch eine Begegnungsstätte werden. Ein Ort der Kulturen, der Solidarität und der Demokratie. Und die Diskussion um den Standort, sie weicht diese Bedeutung und Wirkung peu à peu auf. Während ihr nun im Foyer des Ludwigs einen ersten Blick auf das Modell im 1:10-Maßstab werfen könnt, müssen die Initiatoren aufpassen, dass die Bedeutsamkeit des Mahnmals aufgrund langwieriger und ermüdender Streitigkeiten nicht in Vergessenheit gerät. Vielleicht wäre der alternative Vorschlag der Oberbürgermeisterin Reker, das Mahnmal an der Kreuzung Keupstraße/Clevischer Ring zu platzieren, gar keine so schlechte Idee? Wie es auch ausgeht: Baut es endlich! Und zwar möglichst schnell…
Foto 2: Ulf Aminde. 2019.
Zeiten:
bis zum 28. Juli 2019
Preise:
kostenlos!
Im Foyer, zu dem jeder Zutritt hat.
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Museum Ludwig, Köln
Adresse: Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln
Telefon:
0221 – 221 261 65
Webseite:
www.museum-ludwig.de
KVB:
Linien 5,16, 18: Dom/Hbf
Linie 5: Rathaus