Das Familienverhältnis in Friedrich Schillers „Die Räuber“ ist ein gestörtes. Die Geschichte der beiden Moor-Brüder, in der aus Neid und Zwietracht ganze Landstriche verwüstet werden, führt gescheiterte Familienbeziehungen in die Extreme. Was passiert, wenn man diesen Konflikt in das Hier und Jetzt überträgt? Lässt sich aus ihm Identifikation herleiten? Oder endet, wie in der Buchvorlage, alles im Chaos? Spiegelberg rückt in ihrer ersten Produktion „Raub – nach F. Schiller“ das im Drama aufgegriffene Familienmodell in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und verleiht dem Ganzen einen persönlichen Anstrich, der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität aufzuweichen versucht. Unter Einbeziehung eigener Erfahrungen erwecken die Brüder Jonas und Jean Paul Baeck die Geschwister Franz und Karl Moor zum Leben und verarbeiten auf der Bühne ihre eigenen Familienbeziehungen. Doch wie stellt man das eigene Familienverhältnis auf der Bühne dar, ohne, dass es weder für das Publikum noch für einen selbst schmerzhaft endet?

Jonas und Jean Paul Baeck und das ganze Spiegelberg-Team hieven Schillers Drama „Die Räuber“ auf ein neues Level. Die beiden Brüder schlüpfen in die Rollen der beiden Moor-Brüder und reflektieren dabei ihre eigene Beziehung und die jeweilige Beziehung zum gemeinsamen Vater. „Ich weiß, wie sensibel die Liebe zum Vater ist“, sagt Jonas. „Wir stellen uns vor allem einer Frage: Welche Auswirkungen hatte diese Sehnsucht nach Anerkennung und gleichzeitig die Angst vor Ablehnung auf unsere persönliche Entwicklung, auf uns als Individuen und als Brüder?“ Die Suche nach der eigenen Identität, Parallelen und Unterschiede zu den Moors, die Inszenierung stellt berührende und unangenehme Fragen und vermischt Realität und Fiktion. „Das, was wir von uns privat einbringen, zerschmilzt mit dem Textstück und bricht die Grenzen zwischen den Moors und uns auf.“ Das Ziel ist es, euch auf einer tiefen persönlichen Ebene zu begegnen und die eigene Reflektion anzuregen. Welche Familie ist schon perfekt?

Spiegelberg selbst fand im Sommer 2018 zusammen, an dieser Produktion sind insgesamt elf Personen beteiligt. „Die Idee reifte in uns mehrere Jahre. Jeder hat sein eigenes Skillset, das er oder sie hier einbringt und wodurch das Endprodukt umso vielfältiger und komplexer geworden ist“, sagt Sarah Youssef, Mitbegründerin des Künstlerkollektivs. „Dadurch ist es uns möglich, über verschiedene Medienkanäle zu kommunizieren, die Inszenierung auf unterschiedlichen Ebenen multimedial zu präsentieren und auszudrücken, was Worte nicht ausdrücken können.“

Diese Künstlervielfalt spiegelt sich ebenso im aufwändig ausgearbeiteten Programmheft wider, das die Inszenierung um eine zusätzliche Komponente erweitert und das tiefergehende und thematisch passende Geschichten erzählt. Die aus dem Programmheftverkauf erzielten Erlöse kommen dem Verein rubicon e.V. zugute, der sich für Familien in den unterschiedlichsten Konstellationen einsetzt. Diese Nähe zur Produktion ist keineswegs zufällig. „Wir wollen als Kollektiv nicht nur über die Plattform Theater etwas darstellen und mitteilen, sondern das Dargestellte in die Realität bringen“, erklärt Jonas die Kollaboration. Solch eine Art der Zusammenarbeit sei aus diesem Grunde auch für zukünftige Produktionen geplant. „Man muss ja nicht immer Schiller aufführen. Aber diesen Austausch mit gemeinnützigen Organisationen möchten wir gerne als Konstante beibehalten.“

„Die Räuber“ einmal anders. Die erste Spiegelberg-Produktion will euch berühren und geht unter die Haut. Sensibel und emotionsgeladen personifizieren Jonas und Jean Paul Baeck auf der Bühne ihre eigenen Familienverhältnisse und begeben sich damit in polarisierende Gewässer. Wird die Beziehung der beiden die Konfrontation auf der Bühne überstehen oder steht ihnen ein ähnliches Schicksal wie Franz und Karl Moor bevor? Was würde Schiller wohl dazu sagen? Wir wünschen euch viel Spaß.

Foto 1: Spiegelberg
Foto 2: Gerhard Richter

Zeiten:

7. Juli 2020:
20:00 Uhr

8. Juli 2020:
20:00 Uhr

9. Juli 2020:
19:00 Uhr

Preise:

Abendkasse: 19,00 €
Ermäßigt: 15,40 

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Alte Feuerwache Köln
Adresse: Melchiorstraße 3, 50670 Köln
Karten unter:
www.offticket.de/veranstaltungen/weristspiegelberg
Webseite:
www.weristspiegelberg.de/raub
KVB: Linien 15, 16: Ulrepforte

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