Ein Plan für die Zukunft der Stadt

Die am 3. September 2020 veröffentlichte Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030+“ gibt ein deutliches Ziel für die Stadtentwicklung Kölns vor: Gewerbegebiete sollen „flächeneffizient“ genutzt werden, um „innovativ auf die sich verändernden Arbeitswelten des 21. Jahrhunderts reagieren [zu] können.“ Zur Bewahrung der kulturellen Vielfalt sollen „Begegnungsorte in den Quartieren gesichert werden und als Orte der Kommunikation und Integration dienen“. Und um die Diversität der Kölner Kulturszene weiter zu fördern, sollen Spielräume erschlossen und Wege aufgezeigt werden, „die zur Verstetigung und dauerhaften Etablierung verhelfen“. Köln soll innovativer, gemeinschaftlicher, nachhaltiger werden, vor allem in den äußeren Stadtgebieten. Wo aber kommen die Räume zur Realisierung solcher Vorhaben her?

Einer dieser Räume liegt an der Deutz-Mühlheimer-Straße. Das Otto-&-Langen-Quartier, eine rund fünf Hektar große Fläche, beherbergte früher die ehemalige Gießerei der Gasmotorenfabrik der Deutz AG und wird derzeit von der raum13 gGmbH genutzt, die seit 2011 in dem ehemaligen Hauptverwaltungsgebäude des Konzerns das Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste betreibt. Mit dem Begriff des Interaktiven Theaters lässt sich das bisherige Projekt wohl am besten beschreiben: Über mehrere Etagen und Hallen reihen sich interdisziplinäre Kunstprojekte aneinander, die Elemente aller Künste in sich vereinen und spielerisch mit der sich ihnen bietenden Umgebung interagieren.

Breite Solidarität für gefährdetes Kulturprojekt

Doch damit könnte schon bald Schluss sein. Denn der derzeitige Eigentümer des Gebäudes hat vor Gericht eine Räumungsklage gegen die Kulturinitiative eingereicht, am 4. Dezember wird diese erstmals vor Gericht verhandelt. Was auf der einen Seite aufgrund der sich dahin darbenden Kaufs- bzw. Verkaufssituation verständlich ist (die Stadt Köln hat ein Vorverkaufsrecht für das Areal erworben und plant hier die Umsetzung eines eben jenes im ersten Absatz erwähnten innovativen Lebensraumes – die Verhandlungen über den Kaufpreis ziehen sich allerdings schon seit Jahren hin), das wirkt auf der anderen Seite wie eine handfeste Drohung für die kommende Schließung. Denn sollte die Räumungsklage Erfolg haben, so geht die raum13 gGmbH davon aus, dass es das mit dem geplanten Projekt gewesen sei.

Dieser durchaus düsteren Befürchtung stimmt auch Thomas Baumgärtel zu, der selbsternannte Bananensprayer, welcher über 4.000 Kunstorte auf der ganzen Welt mit seinem ikonischen Symbol, einer gelben Banane, veredelt hat: „Wenn ihr einmal hier raus seid, war es das“, prophezeit der Künstler, der bereits ähnliche Erfahrungen mit der Schließung des Clouth-Geländes in Nippes machte. „Seit Jahrzehnten setze ich mich für den Erhalt bedeutender kultureller Orte ein, dieser hier muss unbedingt bestehen bleiben.“ Ein bisschen verwundert, wie er diesen Ort bisher noch nicht auf dem Schirm haben konnte, sprayte er sodann am Samstag, dem 19. November, sein Markenzeichen an die Außenfassade der Hauptverwaltung. Nur zwei Tage, nachdem in den regionalen Zeitungen eine Solidaritätsanzeige abgedruckt worden ist, in der sich Dutzende bekannte Persönlichkeiten für einen Erhalt des Kulturortes stark machten.

Neuer Raum, der Wohnen, Arbeiten und Kultur miteinander verwebt

Denn der Plan für das Gelände könnte dem Strategiepaper „Kölner Perspektiven 2030+“ passender nicht auf den Leib geschneidert sein. Während die hinteren Hallen mittlerweile dem Verfall überlassen worden sind, arbeitet die raum13 gGmbH nun schon seit Jahren an zukunftsfähigen Nutzungsmöglichkeiten, die mitnichten den Abriss der Hallen einschließen. Stattdessen sollen in ihnen Gewerberäume entstehen, Wohnquartiere und Freizeiteinrichtungen, Gärten, Ausstellungs- und Gemeinschaftsräume. Begrünte weitläufige Außenbereiche sollen die drei Grundpfeiler zukünftigen Lebens miteinander verbinden, Natur, Arbeiten, Wohnen, und zu einem lebenswerten Raum verwandeln; durch die Entstehung eines solchen innermetropolischen Stadtareals sollen somit auch neue innenstadtnahe Wohnmöglichkeiten erschlossen werden, die Hand in Hand gehen mit gewerblichen und kulturellen Bedürfnissen.

Über 450 Wohneinheiten umfasst das bisherige Konzept, welches schon durch eine Machbarkeitsstudie abgesegnet wurde. „Sollte sich das wirklich realisieren lassen, dann geht die Stadt genau den Weg, den sie die ganze Zeit propagiert“, so Baumgärtel. Nah am Rhein, die öffentlichen Verkehrsmittel fußläufig erreichbar, Natur und Arbeit miteinander verwoben, geradezu voneinander abhängig – so könnte die Stadt der Zukunft aussehen. Schon klar, die derzeitige unmittelbare Nachbarschaft des Otto-&-Langen-Quartiers lässt sicherlich zu Wünschen übrig, aber wo sonst ließe sich ein solches Projekt, mitten in der Stadt, schon realisieren?

Was nun aussteht, das ist der Kauf der Stadt sowie die drohende Räumungsklage. Wie sieht das Gericht die derzeitige Situation? Und werden sich die beiden Parteien auf einen Kaufpreis einigen können? Um mal den Pfad der Objektivität zu verlassen: zu wünschen wäre es dem Projekt. Denn wenn sich in den nächsten Jahren nichts ändert, wird sich wohl nie etwas ändern. Und einen besseren Ort als Experimentierraum wird es in Köln so schnell nicht mehr geben…

Quelle: Die Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030+“ findet ihr unter folgendem Link: www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/kp2030/stadtstrategie.pdf – Alternativ könnt ihr auch einfach auf die Zitate im ersten Absatz klicken. Die Zitate findet ihr auf den Seiten 94, 85 und 93. 

Foto 1: Thomas Baumgärtel sprayt sein Markenzeichen an die Fassade des Otto-&-Langen-Quartiers. Ein Symbol der Solidarität.
Foto 2: Ein Blick in die hinteren Hallen des Areals. Verwittert und verfallen warten die Räumlichkeiten auf eine neue Nutzungsmöglichkeit.
Foto 3: Anja Kolacek und Marc Leßle, die Initiatoren der raum13 gGmbH, philosophieren mit Thomas Baumgärtel über die Nutzung des Geländes (v.l.). 
Foto 4: So könnte es im Otto-&-Langen-Quartier bald aussehen: Wohn-, und Gewerbe- und Kulturräume zu einem großen Mosaik verschmolzen.

 

Diesen Artikel weiterempfehlen: