Ehrlich. Schmerzhaft. Fordernd.
Wütende Stimmen, die sich aus jahrhundertelanger kolonialer Unterdrückung erheben, Exponate, die schonungslos Wahrheiten offenlegen, die allzu gerne in Vergessenheit geraten: Die aktuelle Ausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum mit dem kämpferischen Titel „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ ist ganz sicher nichts für schwache Nerven. Nun mögen seicht besaitete Besucherinnen und Besucher sich aufgrund vorangestellter Warnungen in Teilen der Ausstellungsfläche durchaus sicher fühlen – doch die Thematik greift einen wunden Fleck an und hinterlässt einen mulmigen Nachgeschmack. Eine Ausstellung voller Vorwürfe, Konfrontationen und gleichwohl Chancen, die Mut machen und dort Brücken bauen, wo einst jahrhundertealte Gräben zu immer größerer Pracht anschwollen.
Ruanda, Namibia, Kamerun, Nigeria, Togo, Ghana – die Geschichte des deutschen Kolonialismus ist lang. Ebenso lang wie die Geschichte deutscher Raubkunst. Jahrzehntelange Diskussionen um die Rückgabe der Benin Bronzen sprechen Bände. Dass das Rautenstrauch-Joest-Museum selbst im Besitz von Dutzenden Bronzen ist, fügt sich nahtlos in die Erzählung dieser Ausstellung, denn sie nehmen im Laufe ihrer eine zentrale Rolle ein. Doch dazu später mehr.
„Not about us without us!“
„RESIST!“ ist eine „Hommage an die Menschen, die auf unterschiedlichste Art und Weise konstant Widerstand geleistet haben und deren Geschichten bis heute kaum erzählt oder gehört wurden.“ „RESIST!“ ist eine Konfrontation mit der uns mittlerweile weit entfernt scheinenden Kolonialisierungsgeschichte – dessen ausbeuterische Aspekte brutal in die Gegenwart reißend. In Zusammenarbeit mit sechs Kuratorinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen arbeitete das Museum Erfahrungen langjähriger Unterdrückung schonungslos auf und stellt dabei einen wichtigen und oftmals übersehenen Aspekt gesellschaftlichen (Miss-)Diskurses heraus: Eine Diskussion über Unterdrückung kann nicht geschehen ohne die Teilnahme ebenjener unterdrückter Ethnien. Entsprechend könnte das Motto der Ausstellung passender nicht sein: „Not about us without us!“
Als Rundgang aufgebaut, führt euch die Ausstellung durch fünf Kapitel. Angefangen mit der Erzählung von Freiheitskämpfen, Aufständen und Protesten verarbeitet die Ausstellung das Aufbrechen aus herrischen Strukturen und erhöht sich sodann in den Notwendigkeiten eigener Geschichtsschreibung bis hin zur Fähigkeit der kulturellen Resilienz. Welche Narben hat die Kolonialisierung in den unterdrückten Gesellschaften hinterlassen? Welche Möglichkeiten lagen der Menschlichkeit zugrunde sich bahnzubrechen und den repressiven Strukturen den Widerstand zu erklären? Welche Rolle spielte die Kunst in diesem Zusammenhang und wie lassen sich heutzutage die durchaus noch vorhandenen Gräben überwinden?
Kernstücke der Ausstellung sind vier Räume, die von den sechs Kuratorinnen gestaltet wurden. Räume, in denen ihr sowohl mit der brutalen und unerbittlichen Geschichte des deutschen Kolonialismus konfrontiert werdet als auch mit der Möglichkeitsschaffung, Rassismus zu überwinden und Kulturen miteinander in Verbindung zu bringen. Einer dieser Räume, geschaffen von der nigerianischen Künstlerin Reju Jayiwola, kreist sodann auch um die Benin Bronzen, stellt ebenjene im Besitz des RJM befindlichen Kunstraubobjekte zur Schau und schafft somit für Besucherinnen und Besucher akute Berührungspunkte gegenwartsnaher Raubkunstgeschichte.
Ist Kolonialismus auch heute noch ein Thema?
Zugegeben, das ist alles schön und gut, doch eine Frage kommt mir beim Rundgang immer wieder in den Sinn: Ist Kolonialisierung auch heute noch ein solch schmerzhaftes Gewaltphänomen? Zwar verbildlichen Exponate und Infotafeln das räuberische, kapitalistische Gebaren westlicher Konzerne (wie beispielsweise Monsatos erpresserisches Verhalten im Mais-Anbau). Doch ist das alles wirklich noch so akut? Nun, dazu eine kurze Anekdote, erlebt an der letzten Station der Ausstellung, der Videoinstallation „O Sacudimento de Casa da Torre“ des brasilianischen Künstlers Ayrson Heráclito, die in in einem abgedunkelten Raum präsentiert wird:
Zwei Männer treten neben mich, die das Gesehene offensichtlich nicht allzu ernst nehmen. Ironisch gemeinte Sätze wie „Niemals werden wir das vergessen“ oder „So ein Schwachsinn“ fallen, sie witzeln über die Ausstellung und ziehen den Gedanken hinter ihr in den Dreck. Es sind Aussagen, die mich treffen. Denn wer in solch eine Ausstellung geht, ist doch mit Sicherheit bereit, sich dem Thema zu öffnen. Oder etwa nicht? Eines machte mir diese Situation augenblicklich bewusst: Selbst in dieser Umgebung, die spielerisch und interaktiv die Gräueltaten des Kolonialismus aufarbeitet und damit zum Dialog einlädt, scheint herrisches und rassistisches Gedankengut sich seinen Weg zu bahnen. Selten ist mir die Notwendigkeit des interkulturellen Austauschs, in solch einem Umfeld, so schmerzhaft bewusst geworden, wie in diesem einen Augenblick. Denn es war ein Augenblick, der mir als „Weltbürger“, in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft aufgewachsen, ungemein wehtat und einfach nur zum Fremdschämen einlud. Sollten wir es nicht besser wissen?
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Fotos: Einblicke in die Ausstellung.
Zeiten:
noch bis zum 9. Januar 2022!
Öffnungszeiten Museum:
Di – So: 10:00 – 18:00 Uhr
Donnerstags: 10:00 – 20:00 Uhr
Preise:
Eintritt Museum:
Normal: 7,00 €
Ermäßigt: 4,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibungen:
Rautenstrauch-Joest-Museum
Adresse: Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln
Webseite: www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/RESIST-Die-Kunst-des-Widerstands
KVB:
Linien 1, 3, 4, 7, 9, 16, 18: Neumarkt