„Du kannst nicht auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen.“ Dieser Spruch begleitete mich meine komplette Jugend über. Das war mir schon damals klar und das ist es mir noch heute. Doch kein Spruch wäre angebrachter gewesen für meinen „Spaziergang“ über die diesjährige Kunstroute in Ehrenfeld. Denn mein Plan, so viel wie möglich mitzunehmen, ging geradewegs nach hinten los. Wer trug die Schuld daran? Meine eigene Überheblichkeit. Denn obwohl die Kunstroute schon um 12 Uhr begann, kam ich erst um 15 Uhr aus dem Haus und damit blieb mir viel zu wenig Zeit, alles zu sehen, was ich auf dem Plan hatte…
Letzten Endes liegt der Fall wie folgt: Alle teilnehmenden Galerien und Ateliers in Ehrenfeld an einem, oder an zwei, Tagen abzulaufen, das schafft kaum einer. Dafür ist das Areal viel zu weitläufig, die Straßen zu verwinkelt und die Stationen dementsprechend oftmals zu versteckt gelegen. Schon im Vorfeld wurde mir geraten, es mehr als einen Spaziergang durch das Veedel zu sehen, der durch Besuche in dem ein oder anderen Kunstsalon veredelt wird. Mehr nicht. Kein Stress, keine Eile, kein überhastetes Durchhetzen. Kein Problem. Sollte man meinen. Also nahm ich mir, voller Motivation und Tatendrang, das Programmheft zur Hand und plante meine Route im Voraus. Und da ich sowieso ein wandelndes Paradoxon auf zwei Beinen bin, da ich über Kunst und Kultur schreibe, aber bis dato so gut wie keinen Kontakt zur ehrenfeld’schen Kunstszene hatte, wollte ich zuallererst die etwas bekannteren Orte des Veedels aufsuchen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Aber da ich, wie im Teaser bereits beschrieben, den halben Tag mit anderen Dingen beschäftigt war und das Ausmaß der Kunstroute unterschätzt hatte, fiel der Plan sofort ins Wasser. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich dann trotzdem alles machen will, was ich mir vorgenommen habe, und dementsprechend wurde es dann doch ein wenig stressig und anstrengend. Für euch also wichtig: Nehmt euch Zeit und plant, wenn möglich, im Vorhinein, welches Areal in Ehrenfeld ihr ablaufen wollt.
Ich wäre wahrscheinlich verloren gewesen, hätte ich das Programmheft nicht gehabt. Es unterteilt die Kunstroute nämlich von selbst in vier spezifische Abschnitte und gibt damit gewissermaßen vier Strecken vor, auf denen man sich austoben kann. Meine eigene Reise, sie begann sodann auf der Venloer Straße und mir nichts, dir nichts stand ich mit einem Wegbier in der Hand in der Gegend rum und irrte durch das Veedel. Vorbei an der Rothehausstraße über die Vogelsanger Straße, über die Geisselstraße bis hin zur Thebäerstraße. Und zum Schluss noch zum Lenauplatz und auf die Subbelrather Straße. Das ist kein großer Bereich, gewiss. Doch nahmen dort schon so viele Galerien an der Kunstroute teil, dass ein Besuch aller tagesfüllend gewesen wäre. Vor allem lagen viele Stationen in verwinkelten Ecken und Hinterhöfen, die man so in den meisten Fällen nur erahnen kann, die anscheinend exemplarisch für das Veedel stehen und die den Spaziergang geradezu zu einem Abenteuer machten. Dass man hier und da mal ein wenig gesucht hat, bis man den Eingang einer Galerie gefunden hat, wen kümmert das schon. Teilweise sprachen die Hinterhöfe ihre eigene Sprache und der strahlende Sonnenschein, der uns leider nicht den ganzen Tag über begleitete, ließ die Umgebung in einem Licht erstrahlen, das eine kunstrouten-eigene Magie freisetzte. Die Atmosphäre, sie lebte geradezu von dem Event und das fühlte man an jeder Ecke. Zumindest, wenn man selbst Besucher jener war. Denn von außen muss es eher merkwürdig ausgesehen haben, wie überall Personen durch das Veedel irrten, mit ihren Programmheftchen in der Hand und irgendwas in den Mauerwerken suchend…
So weit, so gut. Atmosphäre toll und einladend, aber was war eigentlich mit der Kunst an jenem Tag los? Jetzt schreibe ich hier wild diese Zeilen herunter, aber komme nicht zum Wesentlichen. Ist es damit doch ganz einfach gehalten: In jeder Galerie, in jedem Atelier, fand ich etwas, das mir gefiel. Und da wird es schwer, wirklich etwas herauszustellen. Von Gemälden, die über meine Vorstellungskraft hinausgingen, bis hin zu Kunstwerken, die von einer Menge Fleiß und Hingabe zeugten, die Kunstroute enttäuschte in dieser Hinsicht nicht und gab einen allumfassenden Einblick in die Schaffenswelt der ehrenfeld’schen Kunstwelt. Zugegeben, nicht alles haute mich direkt vom Hocker. Aber das musste es ja auch gar nicht. Die Kombination aus Atmosphäre und vielfältiger Kunst, diese beiden Aspekte machten für mich den Nachmittag aus. So nahm uns beispielsweise an einer Station eine Künstlerin mit in ihr Atelier, das sich auf einer Dachterrasse befand und zu welchem man sonst keinen Zugang erhält, ein anderes Mal unterhielten wir uns ausgiebig, wohlgemerkt trotz Zeitdruck, mit einer halben Entourage Künstler, die uns ihr gesammeltes Portfolio vorführten.
Was bleibt also stehen? Zwar habe ich hier jetzt nur einen wirklich ganz kleinen Einblick geliefert, mit wahrscheinlich zu vielen Wörtern (duh), aber an jeder Ecke des Veedels lauerten neue Entdeckungen, die darauf warteten, erkundet zu werden. Ja, es war wie ein kleines Abenteuer. Dass die ganze Aktion kostenlos war, machte die Sache nur umso interessanter und verdeutlichte zusätzlich den Aspekt eines Spazierganges durch das Veedel im Mantel einer Kunsttour. Und dass ich letztlich weniger gesehen habe, als ich geplant hatte, das lag nur an meinem eigenen Unvermögen, an meinem knappen Zeitfenster und an meinem etwas zu überheblichen Plan, zu viel in zu kurzer Zeit sehen zu wollen. Also nehmt euch Zeit, falls ihr sie denn habt, und ich kann euch nur empfehlen in die Überblicksausstellung im bunker101 zu gehen, die euch einen umfangreichen und aussagekräftigen Einblick in die verschiedenen Galerien und Ateliers eröffnet. Falls es sie denn im nächsten Jahr ebenso geben wird. Sonst noch was? Schade, dass die Galerien und Ateliers ihre Pforten schon so früh schlossen. Aber den einen Abstrich, den vergebe ich gerne.
Und bevor ich es vergesse: Besorgt euch ein Wegbier!
Foto 1: eyegenart Galerie: Jenny Plümpe
Foto 2: Kunstraum Ba Cologne: Claudia Ebbing
Foto 3: KunstRaum Dorissa Lem: Dorissa Lem