In Europa geht es derzeit mächtig rund. Von Strafzöllen, über komplizierte Verteilungsschlüssel der Flüchtlingsströme bis hin zu nervigen Datenschutzmaßnahmen, nicht nur die europäischen Politiker haben derzeit alle Hände voll zu tun. Sie und die im Gemeinschaftsgebiet lebenden Bürger müssen sich mit Themen beschäftigen, die wichtige ökonomische und gesellschaftliche Bereiche abdecken. Nun fand über eine Woche lang die ‚theaterszene europa‘ statt, bei der Ensembles aus zwei europäischen Ländern zusammen kamen und ihre Künste in der ‚studiobühne köln‘ darboten. Dieses Jahr beruhte das Festival auf einer Zusammenarbeit zwischen deutschen und norwegischen Theatern. Ein deutsch-norwegisches Theaterfestival also. Konnte es seinem Namen und seinem eigenen Anspruch, dem Austausch interkultureller Theaterproduktionen, gerecht werden?

Insgesamt standen für die gesamte Woche neun große Produktionen auf dem Programm. Ich selbst war im Rahmen eines Kurses der Universität anwesend, konnte mir jedoch nur fünf Inszenierungen anschauen, da ich mich durch den bereits erwähnten Datenschutz-Dschungel kämpfen musste. Ich habe also nur etwas mehr als die Hälfte aller Aufführungen gesehen. Das war zwar anders geplant, aber ich musste die DSGVO natürlich auf den letzten Drücker machen…

Generell lässt sich festhalten, dass fast jede Inszenierung, die ich gesehen habe, unglaublich gut aufgezogen war. Sie haben durchweg unterhalten, hatten oftmals einen interaktiven Charakter und waren dementsprechend anders als Aufführungen, denen ich sonst so beiwohne. Fast immer durchbrachen die Darsteller die vierte Wand und bezogen das Publikum in die Aufführungen mit ein, überraschten es hier und da und stellten experimentelle Formen dar, was ja auch von Anfang an der Anspruch der ‚studiobühne‘ war. Das hat Spaß gemacht und hinterließ einen anderen Eindruck auf die Theaterszene. Dafür den Daumen hoch.

Das Rahmenprogramm sah zu jeder Produktion ein Publikumsgespräch sowie einen interaktiven Workshop vor. Die Gespräche, bei denen ich zugegen war, lieferten tiefere Einblicke in die Aufführungen und in die Motivationen der verantwortlichen Personen, sie rundeten die jeweiligen Inszenierungen vollends ab. Die Workshops hingegen habe ich leider komplett übergangen, da ich dafür einfach keine Zeit hatte. Vertraue ich jedoch dem Urteil meiner Kommilitonen, so waren auch jene wirklich gut. Eine Kommilitonin sagte mir, dass man beispielsweise gezwungen war persönliche Grenzen zu überwinden und sich Situationen zu stellen, die man im gewöhnlichen Alltag nicht unbedingt erlebt. Klingt zumindest nach einem richtigen Ansatz…

Was ich jedoch vermisst habe, und das hatte ich mir von einem deutsch-norwegischen Theaterfestival irgendwie erwartet, war eine Produktion, die wirklich norwegisches Theater bot. Da es einen Übersetzungsbildschirm gab, an einer sprachlichen Hürde dürfte es wohl nicht gemangelt haben. Warum gab es keine rein norwegischen Inszenierungen? Warum wurde alles nur im Englischen dargestellt? Warum gab es keinen Bezug auf das norwegische Leben, auf norwegische Umstände?

Ähnlich verhält es sich mit der Themenwahl, denen die meisten Produktionen folgten. Wie in der Einleitung bereits angeschnitten, erwartete ich einen Umgang mit Thematiken, die in dem heutigen Europa eine Rolle spielen. Dass es oft um Existenzen, Identitätsfindungen oder künstlerische Freiheiten ging, das sehe ich derzeit nicht als Grundproblem an. Zwar wurden auch Themen wie Denunziantentum oder Machtverhältnisse im Allgemeinen behandelt, aber mir hat eine tiefer gehende Betrachtung innereuropäischer Probleme einfach ein wenig gefehlt. Gerade bei einem Theaterfestival, das sich das internationale Europa als Hintergrund nimmt, während auf dem Kontinent aus jeder Ecke rechtspopulistische Tendenzen aus den Schlupflöchern ploppen und der EU-Apparat mehr und mehr versagt. Aber das ist nur meine Meinung, und vielleicht bin ich da auch ein wenig zu engstirnig, was meine eigene Erwartung an theatrale Performances angeht.

Alles in allem war es ein schönes Festival, mit kleinen Abstrichen, die je nach Blickwinkel entweder auffallen, oder hinfällig werden. Würde ich es weiterempfehlen? Absolut, ja. Denn die Inszenierungen waren witzig und unterhaltsam, machten Spaß und zeigten oft eine ganz andere Seite des Theaters. Wer es verpasst hat, der sollte es sich im nächsten Jahr zumindest mal näher anschauen..

Fotos: Ingo Solms / www.theaterfotografie.koeln

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