Applaus im Zuschauerraum. Viel Applaus. „Ich äußere mich nicht politisch. Ich äußere mich menschlich.“ Wer Ruthes Facebook-Account verfolgt, so wie ich, der weiß, dass der Comic-Künstler sich gerne mal positioniert, gegenüber bestimmten politischen Strömungen Stellung bezieht oder sich gewissen Entwicklungen entgegenstellt. Der eine mag das politisch nennen, wie ein Zuschauer beim Kölner Zwischenstopp auf seiner „Shit Happens“-Tour, für Ruthe selbst hingegen scheint es das normalste auf der Welt zu sein. „Manchen Dingen muss man einfach die Stirn bieten. Und da will ich auch gar nicht als politisch agierend wahrgenommen werden.“
Jaja, ich weiß. Allzu gerne haue ich hier und da gewisse Ansichten raus, genervt von politischen Entwicklungen und Zuständen. Nun könnt ihr mir durchaus vorwerfen, dass einige meiner Textpassagen politischer Natur sind, und ich dürfte dagegen wohl nicht einmal aufbegehren. Doch bei einem stimme ich mit Ruthe überein: Es muss nicht gleich jedwede Äußerung, die sich auf politischer Ebene bewegt, politisch sein; so manche Äußerung entspringt einfach nur einem gesunden Menschenverstand, weil deren Beurteilung einem auch gar keine andere Wahl lässt. Situationen, in denen es darum geht, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, oder eben zu retten, oder Situationen, die sich mit der grundlegenden Frage nach Existenzsicherungen beschäftigen, sind wohl nur zwei Beispiele, in denen der menschliche Gedanke den politischen überwiegen sollte.
Gerade deswegen trifft wohl kaum eine Beschreibung besser auf Ruthe und dessen Show zu, als jener Begriff des Menschlichen. Eine Tier- und Pflanzenwelt, die sich in den Comics personifiziert abgebildet findet und die dadurch eine Dynamik entwickelt, die vom Menschlichen kaum zu unterscheiden ist und eben diesen Aspekt geradezu parodierend auseinandernimmt, ist nur ein Ausdruck dessen, wie Ruthe es schafft das Menschliche in seinen Werken hervorzuheben. Bestimmte Stellungnahmen, die kann man dabei wahrscheinlich wirklich fast überall raus lesen, aber ob sie nun politisch sind oder nicht, diese Interpretation sei jedem selbst überlassen. Doch menschlich, das sind sie oftmals allemal. Und das war auch dieses Mal beim Auftritt in Köln wieder der Fall.
Seien es Barry und Sting, zwei Fische, eingeschlossen in einem Aquarium, die eine Mauer zwischen sich gestellt bekommen und fortan versuchen diese einzureißen, mit Gewalt ebenso wie mit Argumenten, wobei letzteres erst zum gewünschten Erfolg führt. Oder seien es die zahlreichen kleineren Animationsfilmchen, die die Werbewirtschaft veralbern und Werbepraktiken hinterfragen, bei denen wir alle entsetzt die Hände vor dem Gesicht zusammenschlagen. Ronald McDonald, der mit dem Teufel tanzt oder Politiker, die dem Teufel ihre Seele verkaufen, wenn man will, so lassen sich immerzu gewisse Absichten erkennen, die der Autor damit ausdrücken möchte.
Ja, ich bin wahrscheinlich offen wie ein Buch. Und das, was ich gesehen habe, gefiel mir natürlich extrem gut, vor allem weil Ruthe auf seinen Touren immer mit exklusivem Material arbeitet, das sonst nicht zugänglich ist, weder auf Facebook noch auf Youtube. Ich sah Zeichnungen und Arbeiten, die neu und ausgefallen waren, die Haltung bewiesen und sich nicht davor scheuten, auch mal kritisch zu sein. Und die einfach menschlich waren, in vielerlei Hinsicht.
Ich bin schon seit langem ein Ruthe-Fan. Gott sei Dank wurde ich bei meiner ersten Live-Show nicht enttäuscht; nicht umsonst habe ich danach noch beinahe zwei Stunden angestanden, nur damit er mir in mein neu erworbenes Ruthe-Notizbuch malen konnte: Zwei Fische, gute Freunde, die durch dick und dünn gehen und sich dabei auch mal an den Kragen gehen. Allzu menschlich halt…