„Susanna & Du“: Blick in die Ausstellung. Foto: Jürgen Schön

Die biblische Geschichte von Susanna bis heute fortgesetzt

Schauspieler Kevin Spacey und „Rammstein“-Sänger Till Lindemann: Nur die jüngsten Beispiele für Männer, denen sexuelle Übergriffe gegen Frauen vorgeworfen werden. Ein Thema, das das Wallraf-Richartz-Museum mit seiner Ausstellung „Susanna – Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo“ aufgriffen hatte. Sie ging Anfang dieses Jahres zu Ende – und hat jetzt eine Nachfolgerin: „Susanna & Du“ – gestaltet von Kölner Jugendlichen.

Auslöser war die Ausstellung, die die alttestamentarische Geschichte von Susanna im Bade und deren Interpretation in der Kunst vom Mittelalter bis heute zeigte: Zwei geile alte Männer versuchen eine jungen Frau zu vergewaltigen. Als das nicht gelingt, bezichtigen sie sie des Ehebruchs. Der Fall ist über 2000 Jahre alt – doch er löste vor allem bei den Jugendlichen Besuchern der Ausstellung heiße Diskussionen aus. „Es war für die Schulhofgespräche wie ein Stich ins Wespennest“, so Stefanie Sonntag vom Museumsdienst. So zeigt die Ausstellung, wie die #Me too-Diskussion im Alltag der Jugend aufgegriffen wird. Und kann gleichzeitig Anregung zu weiteren Diskussionen geben.

Jugendliche malten Erfahrungen und Meinungen zu #Me too

Kurzentschlossen rief das Museum Jugendliche – Schüler und Studenten – dazu auf, sich künstlerisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Am Ende wurden 136 Arbeiten eingereicht. Wer wollte, konnte sein Werk signieren, aber auch anonym wurde akzeptiert – niemand sollte sich ob des Dargestellten möglichen Nachfragen nach eigenen schlechten Erfahrungen aussetzen müssen.

Anahita Ghaem Alizadeh Delir: „No means No!“ – Museumsschule Köln, 2023. Foto: Björn Föll

Es machten wohl auch einige künstlerisch erfahrene Erwachsene mit, darauf könnte die technische Perfektion einiger Arbeiten hinweisen. Das Alter jedenfalls bleibt unerwähnt. Die Namen aller Teilnehmer sind aufgelistet – der Name eines in den 1980er Jahren rührigen Kölner Künstlers fehlt allerdings – sein Bild hängt im Saal. Lediglich auf Grund der Namen ließe sich auch das Geschlecht des/der Schöpfer/in erschließen. Entstanden sind die Arbeiten alle außerhalb des offiziellen Schulunterrichts, viele auch in der Museumsschule.

Triggerwarnung in den sieben in Köln gesprochenen Sprachen

Vor dem Eingang zum Kabinett hängt eine Triggerwarnung – gleich in sieben Sprachen: neben Deutsch Türkisch, Arabisch, Italienisch, Ukrainisch, Polnisch und Englisch. Und was in dem kleinen Saal an Drastik und Brutalität zu sehen ist, könnte sicher manchem zu nahe gehen. Ein vielfältiges Rahmenprogramm soll die Ausstellungsbesucher nicht mit ihren Emotionen allein lassen.

Katharina Mann: „Kleine Rebecca“ – Foto: Katharina Mann

Da greifen gierige Hände den Frauen an Brust und zwischen die Beine. Blaue Augen zeugen von Schlägen, die Münder sind von vergeblichen Hilferufen verzerrt. Ein kleiner weiblicher Gipstorso weist einen langen Riss auf, eine perfekt gemalte Frau ein lange Schnittwunde im Unterleib. Ein anderer Torso sucht Schutz in einer Raumecke. Breitbeinige Soldaten erinnern daran, dass auch in heutigen Kriegen Vergewaltigungen als Waffe eingesetzt werden.

48 von 136 Arbeiten wurden für die Hängung ausgewählt

Präsentiert werden 48 Arbeiten, grob gegliedert nach Technik oder Thema. Da sind etwa Collagen, für die sich die Künstlerinnen und Künstlern reichlich aus Illustrierten bedienten. Es wurde gezeichnet, mit Öl, Acryl oder Aquarell gemalt. Auch Radierungen sind zu sehen. Ausgesucht und gehängt hat sie in ihrer Freizeit eine sechsköpfige Jury aus Jugendlichen. Über Video sind dazu alle nicht gehängten Arbeiten zu sehen.

AlinaDella Sala: „Schrei der Hilflosigkeit“ – Museumsschule Köln, 2023. Foto: Björn Föll

Doch soll es nicht beim „Konsum“ von Kunst bleiben. Die Ausstellung will auch ein bisschen Lebenshilfe geben. So können die Besucherinnen und Besucher auf kleinen Kärtchen eigene Erfahrungen und Eindrücke schreiben und an eine Wand hängen, möglichen Schmerz gleichsam abladen. Schon am ersten Tag war da zu lesen, wie eine junge Frau von zwei Männern des Nachts auf der Straße angemacht wurde.

Zeiten:

bis zum 15. Oktober 2023, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, jeden ersten und dritten Donnerstag eines Monats 10-22 Uhr

Preise:

Eintritt: 8 €, ermäßigt 4,50 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Adresse: Obenmarspforten, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 211 19
Webseite: https://www.wallraf.museum
KVB: Linie 5: Rathaus
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt

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