„Landschaft mit Gemüsebeeten und Schubkarre, Pontarlier“ (2004) – Foto: Simone Nieweg / VG Bild-Kunst, Bonn, 2023

Simone Nieweg und die verwunschene Welt der Schrebergärten

Simone Nieweg hat selber einen Schrebergarten, mag aber gar nicht die hiesigen strengen Vorschriften, was, wie viel und wie anzubauen ist. Vielleicht fotografiert sie deshalb – vor allem in Deutschland und Frankreich – wie man auch wild, ungezügelt und trotzdem fruchtbringend Obst und Gemüse wachsen lassen kann. „Pflanzungen, Schuppen, Ackerland. Von der Arbeit in der Natur“ heißt ihre faszinierende, voller Überraschung steckende Ausstellung in der SK Stiftung Kultur.

„In Deutschland wäre das wohl kaum möglich,“ erklärt die Fotografin eine Aufnahme aus Frankreich: Vor dem nüchternen Hochhaus einer Neubausiedlung ein verwilderter Garten ohne Umzäunung mit skurrilem Gartenhäuschen.

„Garten mit Teppichfliesen, Meldorf-Holstein“ (1986) – Foto: Simone Nieweg, VG Bild-Kunst, Bonn, 2023

Phantasievoll gebaute Gartenhäuschen

Mit fast 60 Farbfotos – thematisch zusammengestellt – lässt Nieweg den Betrachter eintauchen in eine wuchernde Welt, in der Phantasie oft alles, Regeln und (preußische) Ordnung dagegen kaum etwas bedeuten. Zum Beispiel bei der Gestaltung der Gartenschuppen. Wild zusammengehämmert sind sie, mit Wellblech, Spanplatten oder Teppichfliesen verkleidet. Verblüffende Beispiele für individuellen Gestaltungswillen, der sich nicht durch Vorschriften bremsen lässt, sich stattdessen eine eigene Welt schafft – ebenso nützlich wie verwunschen. Nebenbei: Mit Teppichen lassen sich auch die Wege zwischen den Beeten besser begehen.

„Garten mit gekalkten Bäumen, Dijon“ (2009) – Foto: Simone Nieweg / VG Bild-Kunst, Bonn

Mit den Jahreszeiten durch die Natur

Die Fotografin begleitet durchs Gartenjahr: Im Frühjahr blühen die Obstbäume, im Herbst bedeckt ein Meer roter Äpfel die Wiese, im Winter kontrastieren Schneereste mit der dunklen Erde. Und im Sommer kann geerntet werden: Wirsing, riesiger Rhabarber, Kohlrabi, Mangold. Ihre Gemüse-„Solo-Porträts“ lassen das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Und natürlich wird nicht nur in Gärten Leckeres angebaut. Schließlich gibt es ja auch noch die Landwirtschaft. Auf den großformatigen Fotos – nicht nur hier fehlen Menschen – ist der Horizont weit nach oben gerückt. Das weitet den Blick auf die menschenleeren bearbeiteten, bewachsenen oder abgeernteten Felder. Oft herrscht dunstiges Licht vor, weckt so die Phantasie des Betrachters.

„Kürbis am Holzstoß beim Kotzsch-Haus“ (nach 1860) – Foto: August Kotzsch / Courtesy Kicken Berlin

Mit August Kotzsch ein Blick 100 Jahre zurück

Ein „Vorgänger“ Niewegs war vor über 100 Jahren der Dresdner August Kotzsch (1836-1910). Eine Auswahl seiner Schwarzweiß-Fotos wird parallel in einer kleinen Ausstellung gezeigt. Es sind atmosphärisch dichte Aufnahmen vom Alltagsleben auf dem Land, auf dem Bauernhof, aber auch im Schrebergarten seiner Heimat an der Elbe. Seine Pflanzenporträts könnten wohl auch die Klassiker von Karl Blossfeldt inspiriert haben.

„Moonsun“ (2019) – Foto: Sora Park

Sora Park: Gewinnerin des August-Sander-Preises 2022

Einen Kontrapunkt zu Nieweg und Kotzsch bildet die Kammerausstellung „Bei mir, bei Dir – Porträts und Stillleben “ mit den Fotos der Koreanerin Sora Park – ein Nachklapp zur Verleihung des August-Sander-Preises der SK Stiftung Kultur an die Fotografin. Ihre Einzelporträts zeigen Freunde und Freundinnen, die sitzen oder knien, dabei selbstbewusst und konzentriert in die Kamera gucken. „Mit psychologischem Gespür und Respekt für ihr Gegenüber ist es Sora Park gelungen, sich der Person individuell zu nähern, diese in ihrer Eigenart und momentanen Verfasstheit festzuhalten“, lobte die Preisjury die Arbeiten der 33-Jährigen, die an der Folkwang Universität der Künste in Essen studiert.

Perfekt und selbstbewusst die porträtierten Menschen, ganz anders sind Parks Stillleben. Hier hat sie den Blick für das Unvollkommene, für Unordnung, gar Chaos. Da kleben Papierreste an der Wand, Wollflusen haben sich an Haken verfangen, Draht verfängt sich in Knochen.

Zeiten

Simone Nieweg: „Pflanzungen, Schuppen, Ackerland. Von der Arbeit in der Natur“,  August Kotzsch: „Natur, Landschaft, Genre“ (beide bis 21. Januar 2024), Sora Park: „Bei mir, bei Dir – Porträts und Stillleben“ (bis 5. November 2022)

täglich außer Mittwoch 14-19 Uhr, am ersten Montag eines Monats ist der Eintritt frei, am ersten Donnerstag eines Monats von 14-19 Uhr geöffnet, ab 17 Uhr bei freiem Eintritt.

Preise

Eintritt: 6,50 €
Ermäßigt: 4,00 €

Kontaktdaten

Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, 50670 Köln

Tel: 0221 / 226 57 57, täglich außer Mittwoch 14-19 Uhr, am ersten Montag eines Monats ist http://www.photographie-sk-kultur.de

Umfangreiches Begleitprogramm:

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