Kölner Künstlerin inspiriert Tanztheater
Endlich wieder ins Theater: Mit dem Tanztheater „Das eXXperiment“ hat das Theater der Keller nach der Corona-Zwangspause Ende Mai eine großartige Wiedereröffnung gefeiert. Nach der gefeierten Premiere steht das Stück über die Kölner Malerin Marta Hegemann wieder auf dem Programm. Ein Stück über eine Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt zurecht fand und von den Nazis verbannt wurde.
Das Einzige, das bunt ist, sind Origami-Figuren auf dem Tisch. Die Wände, der Boden, die Tische sind weiß, die Kleidung der zwei Darstellerinnen schwarz und weiß. Ganz langsam, routiniert, falten Daniela Riebesam und Florencia Martina das farbige Papier. Sie sitzen einander gegenüber, nur eine Plastikfolie trennt sie, und sie trennt auch den gesamten Bühnenraum von den Zuschauerinnen und Zuschauern, die rund um die Bühne sitzen. Sie werden schneller, ihre Bewegungen wiederholen sich, die Gesten roboterhaft, dazu wird ein heulendes, zunächst tierisch klingendes Geräusch lauter.
Eine Künstlerin, die Genderstereotypen trotzt
Die Künstlerin Marta Hegeman, 1894 in Düsseldorf geboren, hat das XXTanzTheater unter Leitung von Bibiana Jiménez zu diesem Tanztheaterabend inspiriert. Sie hat an der Kunstgewerbeschule studiert, nicht an der Akademie. Doch gleichförmig oder gleichtönig war ihr Werk nicht. Als Teil der avantgardistischen Künstlergruppe „Kölner Progressive“ stand sie für ein weibliches weiblich, geometrisch dominiert, „eine wohltuende Gegenwelt, die anachronistischen Genderstereotypen trotzte“, heißt es im Begleitflyer.
Die zwei Tänzerinnen stehen auf, die Choreographie wird freier, spielerischer, sie bewegen sich nun durch den ganzen – immer noch geteilten – Raum. Dazu hören wir Reflexionen über Kunst. „Malerei ist eine Auseinandersetzung der Frau in einer patriarchalen Gesellschaft“ etwa. Die Bässe werden stärker, dann dreht die Musik eher in Richtung 20er. Daniela Riebesam und Florencia Martina posieren jetzt, um dann zu zerbrechen, sich wieder aufzurichten. Sie stöhnen, schnaufen, aber sie müssen lächeln.
Eine transparente Plastikfolie als vierte Wand
Wie verschiedene Kapitel wechselt die Musik und mit ihr der Tanzstil und die Dynamik. Die durchsichtige Plastikfolie, eine echte vierte Wand, erweist sich als ein Material der Möglichkeiten. Sie sorgt für eine Distanz, stellt eine Grenze dar, ist aber auch form- und bemalbar. Eine dünne Membran, die für geräuschvolles Knistern sorgt und in der im Laufe der Inszenierung immer mehr Löcher entstehen. Die zwei Tänzerinnen bemalen sie mit rotem Lippenstift, während sie in einer Mischung aus Ekstase und Manie „Kunst für alle“ schreien. Sie werfen sich gegen die Folie, sie nutzen dieses Sicherheitsnetz.
Nach der Machtergreifung der Nazis war die Karriere von Marta Hegemann beendet, ihre Kunst galt als „entartet“. Auch diese Zeit spiegelt sich im Tanz, die Darstellerinnen sind auf dem Boden, kommen kaum vom Fleck. Die Malerin starb 1970, ein Leben der ständigen Umbrüche, aber auch des Ausbruchs aus einer männerdominierten Welt.
Nach rund einer Stunde haben sie, wie das gesamte Team, einen begeisterten Premieren-Applaus verdient. Das Klatschen währt lange – es hat sich im Publikum wohl einiges angestaut.
Foto: Herand Müller-Scholtes – Daniela Riebesam und Florencia Martina skizzieren eine neue Gesellschaft auf den Spuren der Malerin Marta Hegemann.
Zeiten:
19. Juni 2020:
20:00 Uhr
20. Juni 2020:
20:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 19,80 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Theater der Keller e.V.
Adresse: Siegburgerstraße 233w, 50679 Köln
Webseite: www.theater-der-keller.de/index.php/gastspiel
KVB: Linie 7: Poller Kirchweg