Ist Solo die Lösung?
Kölns freie Theaterszene meldet sich zurück. Auch das Theater im Bauturm. Das Solostück „Das Theater und sein Double. Ein Ausbruch“ sind pralle 45 Minuten Selbsthinterfragung. Und trotz vorgeschriebener Corona-Abstandsvorschriften zwischen Theater und Publikum – und innerhalb des Publikums – eine höchst intensive Wechselbeziehung. Zu recht mit lautem und langem Premierenbeifall belohnt.
Eine Plexiglaswand trennt das Bühnengeschehen vom Zuschauerraum. Die darf Solist Bernhard Dechant anschreien, sie beschreiben, mit Fäusten betrommeln, mit seinem Kopf dagegen schlagen. Die 8 Millimeter halten das aus. Der Funke springt trotzdem unwiderstehlich über.
Das Theater in der Blase: Immer oder nur bei Pest und Corona?
Hinter der Scheibe – oder davor? – die Kemenate des Schauspielers, in die er sich als Schutz vor Ansteckungsgefahr zurückgezogen hat. Kärglich eingerichtet: links das Bett, daneben ein Nachtschränkchen, rechts ein mit Büchern beladener Schreibtisch mit Stuhl, dahinter ein Kleiderständer (Ausstattung: Katharina Wilting). Doch ist es keine Blase, der Kontakt mit der Außenwelt ist da – dank Handy. Dessen Display wird auf die Bühnenrückwand eingeblendet (leider nicht immer ganz leserlich). Und kann auch das Publikum an dem internen Prozess teilhaben. Banal.
Banal? Doch genau darum geht hier es: Wie funktioniert die Wechselbeziehung zu seinem Publikum und gleich der ganzen Gesellschaft? Die Corona-Zwangspause war für das Theater-Team der willkommene, wenn auch spät genutzte Anlass, sich damit auseinanderzusetzen. So können die Zuschauer mitverfolgen, wie die Idee entstand, wie sie per Handy entwickelt wurde, wie erst zwei Tage vor der Premiere die erste Probe stattfand.
Auf den Spuren von „Don Quijote“ und „Moby Dick“
Federführend war Regisseur Kieran Joel, der an selber Stätte schon mit „Don Quijote“ (als „Theaterstück des Jahres 2018“ ausgezeichnet), „Moby Dick“ und „Frankenstein“ das Theater und seine Wirkmöglichkeiten unter die Lupe nahm. Hier dient ihm der gleichnamige theatertheoretische Text von Antonin Artaud aus dem Jahr 1933 als Grundlage, in dem der Franzose Parallelen zwischen Theater und Pest zieht.
Im Wesentlichen ist dies – stark zusammengefasst – die enge Blase, in der das Theater mit seinem Anspruch auf Einfluss auf die Gesellschaft bis hin zur Weltverbesserung stattfindet, und die „Quarantäne“, in die sich eine Gesellschaft und ihre Individuen angesichts einer Pandemie zurückziehen. Bei Artaud ist es die Pest, aktuell Corona. Wobei die Pest letztlich grausamere Auswirkungen hat als das Theater – das davon vielleicht nur träumen kann. An andere Katastrophen, die im Hintergrund in einer hektischen Collage vorüberflimmern, scheinen wir uns gewöhnt zu haben.
Was also verlangt das Theater von sich selbst? Das Stück – mitreißend vorgetragen, wenngleich an einigen wenigen Stellen zu laut und dadurch unverständlich – gibt darauf letztlich keine Antwort. Doch die wird es wieder wie schon erfolgreich und überzeugend in der Vergangenheit geben, wenn wieder ein voller Theaterbetrieb erlaubt ist. Der Anfang ist gemacht und lässt hoffen.
Foto: Laura Thomas – Der Schauspieler (Bernd Dechant) einsam in seinem Zimmer – doch bald kann er wieder auf der Bühne stehen. Doch auch dort ist er in Corona-Zeiten allein.
Termine:
2. Juli 2020:
20:00 Uhr
3. Juli 2020:
20:00 Uhr
4. Juli 2020:
20:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 23,10 €*
*inkl. VVK-Gebühren
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Theater im Bauturm
Adresse: Aachener Straße 24-26, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 52 42 42
Webseite: www.theaterimbauturm.de/spielplan/repertoire/das-theater-und-sein-double-ein-ausbruch
KVB: Linien 1, 7, 12, 15: Rudolfplatz