„Veedelovend zesamme!“ Das Motto der diesjährigen Puppensitzung des Hänneschen-Theaters ist kein Zufälliges. In Anlehnung an das Sessionsmotto des Festkomitees feiern sich die Knollendorfer mal wieder selbst und stellen ihr vor dem gemeinen Auge verborgenes Veedel in den Mittelpunkt. Zwar spielt die Sitzung, die im Rahmen einer Straßensitzung abgehalten wird, nicht in Knollendorf, aber immerhin gehört das Veedel ebenso zu Köln wie Nippes oder Ehrenfeld und da darf man die Zugehörigkeit zur Stadt schon mal an den dicken Pitter hängen. Und ich, ich war endlich wieder dabei! Nachdem ich die Puppensitzung im letzten Jahr leider verpasst habe, durfte ich in diesem Jahr zum zweiten Mal in meinem Leben mit von der Partie sein und meine Vorfreude wie auch meine Erwartungen gingen geradewegs durch die Decke. Doch wurden sie auch erfüllt? Oder wurde ich enttäuscht? Aber das kann ja eigentlich gar nicht sein…
Was soll ich sagen? Ich habe zwar die ein oder andere Kritik im Gepäck, dazu später mehr, aber die Puppensitzung, sie rockt einfach. Etwa drei Stunden Hänneschen-Puppenspiele, das ist einfach genau nach meinem Geschmack (Formulierungsähnlichkeiten zu vorangegangenen Berichten sind hier explizit gewünscht) und auch dieses Mal war die Sitzung geprägt von allerlei Witz, unsterblichem Charme und guter Laune. Die Stimmung schwappte durch den gesamten Raum und alle 300 Gäste ließen sich von ihr mitreißen – inklusive mir. In der 11. Reihe sitzend, auf Platz 161, eröffnete sich mir der Anblick eines oftmals rötlich schimmernden Raumes, der zur Musik der Hänneschen-Band schunkelte und frohlockte, der lauthals lachte und an der ein oder anderen Stelle auch mal entsetzt dreinblickte.
Die auf 22 Einzelstücke aufgeteilte Sitzung hat mich dabei fast durchweg mitgerissen, ich kam aus dem Staunen nicht heraus und fragte mich immer wieder, wie man eine solche Inszenierung überhaupt auf die Kette kriegt. Das galt nicht nur für die abermals liebevoll ausgestaltete Location, die dieses Mal das Eigelsteintor darstellte, hätte ich all die Lieder, die in der Puppensitzung abgespielt wurden, mitsingen können, ich hätte wahrscheinlich für den Rest des Jahres keine Stimme mehr. Etablierte Karnevalslieder (von denen ich übrigens nicht einen Text kenne, wie mir mal wieder auffiel) als auch die selbst komponierten Songs, sie alle sorgten für eine mitreißende Stimmung und aus dem Theatersaal formte sich eine wahre Karnevalshochburg. Die Büttenreden der Stockpuppen hielten zum größten Teil ihre Versprechen und begeisterten mich Rede für Rede, auch wenn nicht jeder Witz ankam und ich nicht jedes Wort kölscher Mundart verstand. Aber geschenkt. Es hat Spaß gemacht und das Ganze hat mir sogar Lust auf eine echte Sitzung vermittelt. Und dass dieser Satz aus dem Munde eines Karnevalsgrinchs kommt, das grenzt beinahe an ein Wunder…
Und jetzt zur Kritik, auch wenn ich immer noch hin und weg bin, aber ein zwei Dinge kann ich einfach nicht unerwähnt lassen. Wer meine Texte bisher immer mal wieder verfolgt hat, der weiß wahrscheinlich, dass ich an Theaterproduktionen einen gewissen gesellschaftspolitischen Anspruch habe. Leider hat mir dieser Ansatz aber öfters mal gefehlt. Anders formuliert: Er hat mir in eine bestimmte Richtung gefehlt. Denn es gab durchaus politische Witze, einige sogar, und die Sitzung hat gesellschaftliche Themen aufgefasst, denen ich höchste Dringlichkeit zuschreibe und die verdammt gut umgesetzt wurden. Ein kurzes Beispiel: Röschen will Prinz im Fastelovend werden. Großartig! Endlich wird dieses Thema mal angegangen, wunderte ich mich doch bereits einige Male über die Zusammensetzung des Dreigestirns. Sagt mir: Warum eigentlich dürfen ihm nur Männer angehören? Selbst die Jungfrau? Suchen die Karnevalsvereine nicht händeringend nach Nachwuchs? Eine Öffnung altbackener Traditionen könnte daran ja vielleicht etwas ändern, wer weiß. Aber wie dem auch sei, zwei Punkte habe ich einfach vermisst…
Erstens: Man stelle sich einmal vor, da sitzt die Frau Oberbürgermeisterin in einer der ersten Reihen und alles was die Puppensitzung zur städtischen Politik raushaut, bezieht sich auf den kölschen Klüngel, die Börschel-Affäre und den geplanten Umschwung der Dienstwagen auf Öko-Fahrzeuge. Das ist zwar alles erwähnenswert und richtig meiner Meinung nach, aber ward es doch ein wenig enttäuschend, was stadtpolitische Themen anging. Deswegen haue ich hier jetzt mal meine drei Themenvorschläge raus, die ich gerne gesehen und gehört hätte:
1. Die fehlenden Klimamaßnahmen. Zwar hat die Stadt den Klimanotstand ausgerufen, aber großer Worte zum Trotz fehlen bisher durchgreifende Aktionen. Wo sind die Maßnahmen, die der Maßnahmenkatalog „KölnKlimaAktiv 2022“ (Hier) vorsieht? Maßnahmen, die fruchten, die sichtbar sind und die langfristigen Erfolg versprechen…
2. Das führt mich direkt zum nächsten Punkt: Wo bleibt der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs? Eine Erstattung des Jobtickets für städtische Mitarbeiter? Wäre das nicht einer der ersten Schritte, um den Autoverkehr in der Stadt zu regulieren und den CO2-Ausstoß zu verringern?
3. Wenn es im Stück schon um Klüngel geht, dann erwähne man doch auch bitte die fragwürdige Vergabe des Geschäftsführer-Postens bei dem Verein Metropolregion Rheinland. War da nicht was? Intransparente Postenvergaben oder so? Ach, schon vergessen…
Das hätten Hänneschen und Co. mit aller Voraussicht nach um Längen witziger rübergebracht, aber darum soll es mir gerade nicht gehen. Stattdessen komme ich mal lieber schnell zu Punkt Zwei: Da sitzt in den ersten Reihen ebenso das Kulturamt, das in letzter Zeit den ein oder anderen Bockmist geschossen hat, aber außer einer lobenswerten Erwähnung der Stadtdezernentin findet die Sitzung keine Worte, die sich auf ebenjene Missstände beziehen. Deswegen hier zwei Vorschläge an Themen, die es verdient hätten, erwähnt zu werden:
2. Das immer größer werdende Millionengrab der Oper und des Schauspiels. Muss man noch mehr sagen?
1. Der fragwürdige Umgang mit der Nachfolgensuche der Intendanz im Schauspiel Köln. Kaum ein anderes Thema hat im letzten Jahr so viel Wirbel verursacht, sogar über die Stadtgrenzen hinweg, und bei der Puppensitzung gibt es dazu nicht einmal eine kleine Spitze? Oder habe ich sie verpasst? Ich glaube ja nicht…
Ich weiß. Das liest sich jetzt als sehr viel Kritik am Stück. Aber geht es mir hier vielmehr um Kritik an der Stadt Köln, die ich bei der Puppensitzung einfach vermisst habe. Letzten Endes hätte die Liste weit mehr als fünf Punkte umfassen können, aber das würde den Rahmen sprengen und außerdem soll diese Kritik meinen Gesamteindruck nicht trüben. Aber dafür ist es jetzt wahrscheinlich zu spät, oder?
Deswegen noch einmal kurz als Zusammenfassung: Unglaublich unterhaltsam, sehr sehr witzig und wie immer extrem liebevoll – mit klitzekleinen Einschränkungen. Abermals riss mich die Puppensitzung mit ihrer einmaligen Stimmung im Theatersaal aus allen Wolken und versprühte dabei Spaß und gute Laune unter allen Anwesenden; zumindest soweit es in Reichweite meiner Wahrnehmung lag. Die Lieder heizten die Stimmung nur umso mehr an und die Location war einfach atemberaubend. Vielleicht fehlen mir ja auch einfach nur ausreichend Vergleichsmöglichkeiten zu den Vorjahressitzungen, doch leider fehlten mir immerzu spitze Bemerkungen gegenüber der Stadtpolitik, aber ich glaube, das habe ich nun zur Genüge deutlich gemacht. Der Daumen? Der zeigt nichtsdestotrotz mal wieder nach oben. Herzerwärmend und wunderschön!
Zeiten:
noch bis zum 22. Februar 2020
Preise:
Leider ausverkauft!
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Hänneschen Theater
Adresse: Eisenmarkt 2 – 4, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 258 12 01
Webseite: www.haenneschen.de
KVB:
Linien 1, 5, 7, 9: Heumarkt