Um gleich mal mit zwei kölschen Mythen aufzuräumen: Nein, die ersten Hausnummerierungen Kölns sind nicht auf die Zeit der französischen Besatzung zurückzuführen, sondern auf einen verwaltungstechnischen Beschluss des Stadtrates, der vor Einmarsch der Franzosen erfolgte und der einer Kostenaufstellung sowie einer geplanten Bestandsaufnahme aller erbauten Gebäude Kölns, bewohnter wie unbewohnter, privater wie öffentlicher, zu verdanken war. Und weiter: Nein, das originale Eau de Cologne stammt nicht aus dem Hause 4711, wie so viele irrtümlicherweise annehmen und wie überall in der Stadt fälschlicherweise propagiert wird, sondern es entstand Anfang des 18. Jahrhunderts aus der Hand Johann Maria Farinas, einem gebürtigen Italiener, der den Duft eines italienischen Frühlingsmorgens, den Duft seiner Heimat, in Flakons füllte und jenen ehrfurchtsvoll nach seiner neuen Wahlheimat benannte. Genau dieses Thema, die Geschichte des Farina-Parfums, nimmt das Hänneschen-Theater in der Produktion „Farina – Wunderwasser vun Kölle“ auf, katapultiert dabei die Bewohner Knollendorfs in das Köln des 18. Jahrhunderts und erweckt einen entscheidenen geschichtlichen Aspekt der Stadt wieder zum Leben.
Hänneschen singend bei der Herstellung einer eigenen Parfum-Formel, den Dreikönigsschrein tragend oder im Frauenkostüm auf einen Ball für die Damenwelt Kölns schleichend, in der Produktion „Farina – Wunderwasser vun Kölle“ schlüpft der Namensgeber des über 200 Jahre alten Theaters in gleich mehrere Rollen. Und das alles vor und in einer imposanten Kulisse, die direkt dem 18. Jahrhundert entsprungen zu sein scheint und die das gesamte Stück stilisiert. Gebäudefassaden, Personenkonstellationen oder der Kleidungsstil des Rokoko, Hänneschen und Co. spielen von Beginn an in altertümlichen Gefilden und gehen dabei immer wieder auf historisch prägnante Faktoren ein.
Diese detaillierte Verarbeitung historischer Feinheiten, sowie der wahre Hintergrund des Stückes, trägt dazu bei, dass die Aufführung auf gewisse Art und Weise pragmatisch bleibt, auf den historischen Kontext fokussiert und die Geschichte des Farina-Parfums in vielen kleinen Anekdoten Stück für Stück an den Zuschauer heran trägt; es führt aber auch dazu, dass der rote Faden der Inszenierung immer wieder durchbrochen wird, oder gerade deswegen am Leben erhalten bleibt, da die Kontextualisierung der allseits bekannten Stockpuppen-Darsteller vor jenem historischen Hintergrund allzu häufig urkomische Ebenen annimmt, gefühlvoll erzählt und ebenso auf altbewährte Tugenden, eine saftige Prise Humor, setzend. Dass Hänneschen beizeiten patriarchalische Züge annimmt und dadurch sogar fast sein Bärbelchen vergrault, die ihn unentwegt anhimmelt, das passt in die Zeit, in der sich die Produktion bewegt, und stellt einen schönen Gegensatz zu anderen Aufführungen dar, in denen sich das Liebespaar zwar immer wieder bestimmten Herausforderungen stellen muss, doch letztlich immer ein Herz und eine Seele sind.
Bei all der liebevollen, witzigen und ansprechenden Erzählweise des Stückes darf man sich dennoch fragen, ob ein städtisches Theater zwei Unternehmen, die schon seit Jahrhunderten im Clinch liegen, solch eine Werbeplattform bieten darf. Klar, diese Geschichte hat die Stadt über Jahrhunderte geprägt und es ist richtig und notwendig, dass dieser Aspekt städtischer Historie mal wieder hervorgeholt wird, bestenfalls in einem unterhaltsamen Rahmen; doch nimmt die Aufführung, so mein Eindruck zumindest, zu Teilen eine Funktionalität ein, die über die ursprüngliche Intention hinausgeht und in werbende Sphären einbricht. Auf mich persönlich bezogen heißt das dann: die Wahrnehmung gegenüber beiden Unternehmen ist gestiegen und da spielt es auch gar keine Rolle, welches der beiden Unternehmen wie dargestellt wird, positive wie negative PR bleibt letzten Endes immer PR.
Doch was Werbung angeht, vielleicht sollte gerade ich diesbezüglich lieber die Finger still halten. Trotz meiner Kritik, es lässt sich, meiner Meinung nach, folgendes festhalten: „Farina – Wunderwasser vun Kölle“ spielt in einer Zeit, in der Köln als Reichsstadt eine einmalige Position im deutschen Raum inne hatte und deren Lebensgefühl sinnbildlich auf die Bühne transportiert wird, detailreich und humorvoll dargestellt. Wenn ihr mehr über die Geschichte des Farina-Parfums lernen wollt, oder einfach nur einen Abstecher in das Köln des 18. Jahrhunderts machen wollt, so ist die Produktion mit Sicherheit einen Besuch wert. Und das selbst für Neulinge. Denn meine Begleitung, die mag eigentlich gar keine Puppenspiele. Doch danach, nun ja, ich habe sie mit meiner Begeisterung wohl angesteckt. Und jetzt, jetzt will sie immer mit. Prost Mahlzeit.
Fotos: Stadt Köln / Hänneschen – Theater
Zeiten:
regelmäßig bis zum 23. Juni 2019.
Preise:
Eintritt: 19,50 €
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Hänneschen Theater
Adresse: Eisenmarkt 2 – 4, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 258 12 01
Webseite: www.haenneschen.de
KVB: Linien 1, 5, 7, 9:
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