Paris 1918/19: Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs verhandeln über die Zukunft des Verlierers Deutschland. Im Mittelpunkt steht die Frage der Reparationszahlungen. Das Theaterstück „Frieden, Liebe & Freiheit“ zeichnet dieses Ereignis und seine Bedeutung für heute nach. Ein  langer Theaterabend im Theater im Bauturm – doch von den gut 120 Minuten Spielzeit ist keine zu viel 

Drei höchst unterschiedliche Personen, durch Zufall eng verbunden, erzählen die Geschichte. Sie diskutieren über Rassismus und Kolonialismus, über unterschiedliche Wirtschaftssysteme, über rachsüchtige Politik, über Demokratie und selbstverständlich über die Liebe. „Ein Schwuler, ein Schwarzer und eine Tänzerin“ sind hier zusammengekommen, „das hat es noch nie gegeben“, stellt die Frau fest. 

Ein Blick hinter die Kulissen des Weltgeschehens 

Doch es sind historische Persönlichkeiten: der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes, Ökonom und Berater der britischen Regierung (kämpft selbstbewusst und kenntnisreich für Rücksicht und Anstand gegenüber dem Kriegsverlierer: Michael Pas), Charles Dunbar Burgess King, Außenminister Liberias und noch während dieser Episode zum Präsidenten seines Landes gekürt (sich seiner Persönlichkeit bewusst, fordert er Respekt ein: Serge Fouha), und schließlich Lydia Lopokova, eine nach London emigrierte russische Ballerina (gekonnt zwischen Übermut und Verzweiflung schwankend: Lisa Eder). 

Im Hintergrund untermalt Geert Waegeman (Keyboard, Schlagzeug, Geige) das Geschehen und treibt die Handlung voran. Unter der Regie von Stijn Deville liefert das Ensemble eine mitreißende Leistung ab. Droht zu viel Theorie, geben kurze, aber immer in das Geschehen passende Slapstickszenen dem Publikum Zeit, Atem zu holen. 

Wie aus Friedensverhandlungen ein Diktat wurde 

Im legendären und geschichtsträchtigen Hotel Majestic hat das Trio zusammengefunden. Hier erzählen sie von ihrem Alltagsgeschäft. Keynes, wie er vergeblich versucht, die Siegermächte von übertriebenen Reparationskosten zurückzuhalten. Er warnt vor dem, was dann tatsächlich auch eingetreten ist: Die Diskussion um das „Versailler Diktat“ und den „Schandfrieden“ zerstörten die Weimarer Republik und brachten die Faschisten und Hitler an die Macht. Seine Kritik an machtversessener Politik würzt er mit kurzen Hinweisen auf jüngste Ereignisse wie die Eurokrise oder den Brexit. 

King ist als einziger Schwarzer Politiker dabei, als Vertreter des einzigen unabhängigen afrikanischen Staates. Doch die Unabhängigkeit Liberias steht nur auf dem Papier, Frankreich, Großbritannien und die USA bestimmen dessen Finanzen. Und er muss erleben, wie im Vorfeld der Gründung des Völkerbundes die Kolonialmächte die Welt neu aufteilen und zusammensetzen – ohne Rücksicht auf die Bewohner. Ursache für viele aktuelle Konflikte. Er eröffnet das Stück mit einer ausführlichen Beschreibung der Spanischen Grippe, die gerade weltweit hunderttausende Opfer fordert. Das Wort Corona muss nicht fallen, die Parallelen sind offensichtlich.   

Ein Happy End für zwei Protagonisten 

Zwischen beiden Männern wirbelt die Tänzerin Lopokova, auf der Suche nach ihrem Geliebten in Paris gestrandet. Sie ist der emotionale Faktor des Trios. Szenenbeifall gibt es, nachdem sie „Charles“ und „Maynard“ zu einem gemeinsamen wilden Cancan überredet hat. Bei King blitzt sie mit ihrer Liebessehnsucht allerdings ab: Er ist Katholik und verheiratet. Keynes dagegen kann ihren lasziven Annäherungen nicht widerstehen: Sie finden zusammen – wie auch im wirklichen Leben. 

Das Stück endet mit der gemeinsamen Parole: „Da liegt noch viel Arbeit vor uns!“ Wer aus dem Publikum wollte dem angesichts der zahlreichen aktuellen und weltweit ungelösten Probleme widersprechen? 

„Frieden, Liebe & Freiheit“ ist eine Kooperation des Theaters im Bauturm, Het nieuwstedelijk Leuven und dem Staatstheater Mainz, wo das Stück seine deutsche Uraufführung hatte. In Köln hatte es im Oktober des Vorjahres schon zwei begeistert aufgenommene Aufführungen. Wer konnte da ahnen, was heute in der Welt los ist? 

————–

Foto 1: Boumedienne Belbachir – Der Außenminister Liberias (Serge Fouha, l.), Ökonom John Maynard Keynes (Michael Pas) und Tänzerin Lydia Lopokova (Lisa Eder) finden im Hotel zueinander. 

Foto 2: Boumedienne Belbachir – Entspannung mit Folgen nach schwierigen politischen Verhandlungen.  

Termine:

8. April 2022:
20:00 Uhr

9. April 2022:
20:00 Uhr

10. April 2022:
18:00 Uhr

12. April 2022: 
20:00 Uhr

13. April 2022: 
20:00 Uhr

Preise:

Eintritt: 23,60 €*
*inkl. VVK-Gebühren
*Standardpreis, günstigere Preisvariationen möglich

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Theater im Bauturm
Adresse: Aachener Straße 24-26, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 52 42 42
Webseite: https://www.theaterimbauturm.de/spielplan/repertoire/frieden-liebe-freiheit-vrede-liefde-vrijheid/
KVB: Linien 1, 7, 12, 15: Rudolfplatz

Diesen Artikel weiterempfehlen: