Das große Kleine
Eine mitreißende Leistungsschau liefern die Schüler und Schülerinnen der Schauspielschule des Theaters der Keller mit der Produktion „Fusseln“: 80 Minuten lang zeigen sie ihr Können in Sprache und Bewegung – ein höchst diszipliniertes Ensemble.
Eine Handlung im klassischen Sinne darf man in postdramatischen Zeiten auf der Bühne nicht immer erwarten. Erst recht nicht hier: Grundlage der Inszenierung ist – so verrät der Programmfolder – eine mehrseitige Liste, eine „Ansammlung von Dingen, Worten, Bildern, die scheinbar übersehen, vergessen, unbenannt und verpasst bleiben“. Zusammengestellt hat sie schon vor zehn Jahren der Schriftsteller und Dramatiker Wolfram Lotz, hier kommt sie zur Uraufführung.
Wortfetzen, die zu Bildern im Kopf werden
Für ihn sind solche meist singulären Begriffe Fusseln, ein im Alltag eher beiläufig aufgegriffenes Wort – oder auch Gedankenfetzen. Wie kleine abgeriebene Fädchen, die man von seinen Kleidern abpickt und irgendwohin beseitigt. „Häuser, die nicht mehr da sind“, „vorvorgestern“, „Abschiedsbälle“, „nie abgeschickte Briefe“, „Aua!“, „Bleistiftstummel“ oder „tabellarische Lebensläufe“ heißt es etwa. Ohne offenbaren Zusammenhang sind sie hier aneinandergereiht, wecken im Publikum Bilder – ohne diesen Zeit zur Entfaltung zu geben, denn die nächsten Worte reihen sich atemlos sofort an.
Für Regisseurin Charlotte Sprenger sind sie das Material, um 13 Akteure (an manchen Abenden auch nur zwölf) in knappen, weißen und grünen Glitzerhemdchen aus dem Anfangsnebel ins Rennen zu schicken (Choreografie: Co-Regisseur und Ensemblemitglied Frank Casali).
Szenenbeifall für Masturbation
Und das wörtlich: Das Ensemble beherrscht das wilde Hin-und-Her- und Durcheinanderrennen, bei dem jeder sein eigenes Tempo hat, wie beispielsweise den parademäßigen Gleichschritt. Es wird gestampft, getanzt und gehüpft, es kommt zur Rudelbildung, eine Pyramide wird gebaut, einer versucht sich als Dirigent der Masse. Es wird paarweise gevögelt – und in der gesamten Gruppe. Wobei ein Solist mit Selbstbefriedigung und lautem Lustgestöhne den Beifall des Publikums kassiert. Perfekt die Sprechkunst – ob im Chor oder im „Dialog“. Natürlich darf ein Besuch im Publikum nicht fehlen.
Gemeint ist das alles als „Requiem auf das Leben und die Vergänglichkeit in einem“. Anspruchsvolle Worte. Das aber wird sich nicht jedem erschließen – postdramatisch eben. Es bleibt die Bewunderung für das junge Ensemble und dessen Raumgestaltung. Applaus also für: Luis Volkner, Ina Rottstegge, Jack Rehfuß, Brit Purwin, Anna Marzinik, Sefa Küskü, Erika Rosalie Jell, Hannah Holthaus, Paul Hofmann, Adeline Joao, Frank Casali, Josa Butschkau und Katharina Abel.
Fotos: Jan Niklas Berg
Zeiten:
12. März 2020:
20:00 Uhr
25. März 2020:
20:00 Uhr
22. April 2020:
20:00 Uhr
Preise:
Eintritt: 19,80 €*
Ermäßigt: 14,30 €*
*inkl. VVK-Gebühren
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
Theater der Keller e.V.
Adresse: Siegburgerstraße 233w, 50679 Köln
Webseite: www.theater-der-keller.de/index.php/fusseln-ua
KVB: Linie 7: Poller Kirchweg