Reden wir doch mal über Geld!

Corona brachte und bringt vieles durcheinander. Im Großen und im Kleinen. Auch in Gelddingen. Auch in der (freien) Theaterwelt, wo die Akteure lange ohne Einnahmen blieben. Für das Freie Werkstatt Theater Grund genug, dies zum Thema einer Eigenproduktion zu machen: „Geld, wir müssen reden“ heißt die geistreiche Produktion, die jetzt ihre lang beklatschte Premiere hatte. 

„Nach Motiven von Shakespeares >Kaufmann von Venedig<“ heißt es. Sehr frei, müsste es heißen. Zwar wird dessen Kernszene kurz angespielt: Wie viel ist ein Stück Menschenfleisch wert? Auch wird der Bühnenklassiker immer wieder quasi im Vorübergehen kurz zitiert. Doch hier geht es um mehr als nur um Schulden und wie man diese eintreibt. 

Welchen Stellenwert hat Geld heute? 

Es geht um Geld schlechthin: Welchen Stellenwert hat es? Wie werden arme und reiche Menschen wahrgenommen? Was macht es aus denen, die es besitzen – und aus denen, die keins haben? Kann man sein Gewissen durch Verzicht auf angeheiratete Millionen freikaufen? Kommt man durch eine Erbschaft „sauberer“ an ein Vermögen als durch Spekulation? Bringt Geld Angst, Mut oder Macht? 

Fragen über Fragen, die Eva Maria Baumeister, Guido Rademachers, Regina Rösing zusammen mit den Schauspielerinnen Mirka Ritter, Kristin Schuster und Carl Bruchhäuser diskutiert und auf einer kahlen Bühne – nur mit einem Stuhl und einer gläsernen Corona-Schutzwand möbliert – zu einer Episodenfolge umgesetzt haben. Weniger – dafür etwas breiter „diskutiert“ – wäre sicher mehr gewesen. 

Keiner will schon einmal Geld geerbt haben 

Zweimal wird das Publikum einbezogen. Beim ersten Mal dürfte es wohl eine Vorabsprache gegeben haben: Um die Risikobereitschaft – oder Geldgier? – zu testen, wird ein 50-Euro-Schein auf eine Glasscheibe geklebt. Wer ihn aus gut drei Metern mit einer eigenen 1-Euro-Münze trifft, darf ihn behalten. Drei Zuschauer schaffen es nicht. Und auf die Frage: „Wer hat schon einmal geerbt?“ kommt zunächst keine Antwort, auf Nachfragen nur verneinendes Kopfschütteln. Schämt man und frau sich, so an Geld gekommen zu sein?   

Es ist ein wortreiches Stück, das bei der Wahl theatralischer Mittel vor allem vom Spiel mit dem Raum lebt. Den erkunden die Akteure mit verbundenen Augen oder auf dem Boden liegend, vom Sehenden mit „Vorsicht“-Rufen geleitet – Sinnbilder für die Verunsicherung im Umgang mit Geld nicht nur zu Corona-Zeiten. Besonders spektakulär wird es, wenn die beiden Schauspielerinnen auf dem Bauch liegend mit höchstem Tempo auf die Wände zurutschen und im letzten Moment davor stoppen. Da bleibt dem Publikum hörbar der Atem stehen. Doch wünscht man sich bei so viel Theorie ums Geld bisweilen mehr „klassisch“ szenische Umsetzungen. 

30.084,62 Euro verhindern den Bühnen-Ruin 

Gegen Ende wird ein Karton mit Zetteln geöffnet, auf denen die Zuschauer vorher freiwillig und anonym ihren aktuellen Kontostand notieren konnten. Danach kommt an diesem Abend – mit Spannung verkündet – die Summe von 30.084,62 Euro zusammen. Stolz wird das Transparent mit der Summe vor dem Spruch „Ich bin ruiniert“ präsentiert, der seit Beginn auf der hinteren Bühnenwand prangt. Das Bühnentrio strahlt: Kein Grund, sich Sorgen zu machen, es ist ja offensichtlich genug Geld da. 

Hier könnte Schluss sein. Doch ein kurzer Bühnentumult führt zurück zur Anfangsfrage: Ist Geld gut oder schlecht, sind seine Besitzer gut oder schlecht? Eine endgültige Antwort gibt’s nicht. Stattdessen überstrahlt ein neonleuchtendes HIER den „Ich bin ruiniert“-Spruch und lädt zur Diskussion auf dem Nachhauseweg über die aktuelle Lage ein. Das ist doch schon einmal etwas. 

Beachtens- und anerkennenswert ist in diesen Tagen auch die Umsetzung der Corona-Hygiene-Vorschriften. Peinlich genau achtet das Theaterteam auf deren Einhaltung nicht nur bei den Besuchern. Im FWT gehen die Schauspieler selbst mit gutem Beispiel voran: Flugs ziehen sie ihre Maske an, wenn sie das rote Klebeband auf dem Boden überschreiten, das die Bühne von den Zuschauern trennt.

Foto: Dieter Jacobi – Erkunden, welche Rolle Geld in unserem Leben spielt: Mirka Ritter, Carl Bruchhäuser, Kristin Schuster (v.l.).

Zeiten:

20. September 2020:
18:00 Uhr

8. Oktober 2020:
20:00 Uhr

9. Oktober 2020:
20:00 Uhr

24. Oktober 2020:
20:00 Uhr

20. November 2020:
20:00 Uhr

26. November 2020:
20:00 Uhr

Preise:

Über Offticket:
20,80 € / 13,20 €*
*inkl. VVK-Gebühren

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung: 

Freies Werkstatt Theater Köln e.V.
Adresse: 
Zugweg 10, 50677 Köln
Kartentelefon:
0221 – 32 78 17
Webseite: www.fwt-koeln.de/index.php/geld-wir-muessen-reden
KVB:
Linien 15, 16, 17: Chlodwigplatz

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