Nur charakterlich schwache Menschen bedienen sich dem Mittel der Machtdemonstration. Präsidenten, die alles great finden, oder Herrscher, die ihr Volk klein halten, um ihre Macht zu halten, es gibt auch in der heutigen Welt genügend Beispiele von Menschen, die ihre Macht missbrauchen und sie als Verlängerung ihres wahrscheinlich zu klein geratenen Geschlechtsteils benutzen. Personen hingegen, die Macht besitzen und die wissen, wie sie mit ihr umzugehen haben, die haben solch primitive Demonstrationen gar nicht erst nötig. Das ist zumindest meine bisherige Erfahrung. Und gleichwohl möchte ich hier persönlich einsetzen. Denn obwohl ich zwar keine Macht besitze, und auch gar nicht erst anstrebe, über welche zu verfügen, so durfte ich doch schon mein halbes Leben lang lästige Machtdemonstrationen und peinliche und lächerliche Versuche, mich unentwegt übertrumpfen zu wollen, über mich ergehen lassen. Meistens lächelte ich solch ein Verhalten einfach nur weg, es war, und ist mir immer noch, einfach zu unnötig für sowas große Anstrengungen aufzuwenden; auch wenn sie mich mittlerweile bisweilen ziemlich aufregen. Das Leben, es würde nicht Leben sein, hätte ich dazu also kein aktuelles Beispiel zur Hand. Doch während ich diese Zeilen hier schreibe, ich bin mir noch nicht sicher, ob ich euch dieses Beispiel überhaupt mitteilen möchte. Denn ein No-Go, man vergeltet es nicht mit einem No-Go. Oder doch?

Die Produktion Kinder der Nacht, sie widmet sich dementsprechend eben jener Thematik: Der Demonstration von Machtverhältnissen, dem Drang, die Überhand über seine Mitmenschen zu gewinnen, und zu behalten, und durch Intrigen und Spielchen seinen eigenen Willen durchsetzen zu wollen. Basierend auf der Novelle Les Enfants Terribles, erstmalig im Jahre 1929 von Jean Cocteau herausgegeben, konfrontiert sie euch mit dem Leben der Zwillinge Elisabeth und Paul, die sich in ihrer Wohnung der Isolation vor der realen Welt verschreiben, die sich dadurch ihre eigene Wirklichkeit zurecht spinnen und sich in Folge dessen durch Machtspielchen und intrigante Beziehungen ihren Weg durch das Leben bahnen.

Das überwiegend junge Ensemble, das auf der Bühne die Rollen der beiden Geschwister plus Nebencharaktere einnimmt, bringt dieses Psychodrama dabei sehr überzeugend rüber, verwirklicht die Romanvorlage unterhaltsam und zugleich bestürzend. Während ich zu Beginn der Aufführung noch der Versuchung erlag an der Strahlkraft der Schauspieler zu zweifeln, so rissen sie mich im Laufe der Inszenierung mehr und mehr mit und ließen jene Zweifel alsbald verblassen. Das hat mich überrascht, auf eine positive und empathische Art und Weise. Chapeau dafür.

Da sich die Produktion an der Außenspielstätte am Offenbachplatz wiederfindet, ist der Bühnenraum, der dem Ensemble für all das zur Verfügung steht, vergleichsweise klein, doch intelligent verarbeitete und flexibel einsetzbare Kulissenbauten sorgen für eine fortwährend fluktuierende Kulisse, die ebenso die selbst herbeigeführte Isolation als auch die Öffnung jener eingeengten Welt systematisch, stringent und gleichermaßen lustig erkennen lässt. Düstere und unbehagliche Hintergründe, musikalische Einspielungen, die das auf der Bühne Dargestellte dramatisch und konsistent untermauern, oder an die Wand projizierte Spiegelungen, die das Ende der Aufführung gar prophezeien, rundeten meiner Meinung nach das Bild der Inszenierung stimmungsvoll ab. Zwar fand ich, dass sich die ein oder andere Szene durch eingebaute Elemente, die sich für mich unnötig anfühlten, ein wenig in die Länge zog, doch gerade im Nachgang der Aufführung fielen diese so gut wie gar nicht ins Gewicht.

Insgesamt hat mir die Produktion also ziemlich gut gefallen. Und gerne empfehle ich sie euch weiter, falls ihr Interesse an einem Abend habt, der eure grauen Gehirnzellen anregt, der zu überzeugen weiß, der aber auch den ein oder anderen Lacher in der Hinterhand hat. Doch will ich euch nun, nachdem ich diese Rezension beinahe zur Gänze herunter geschrieben habe, in das Beispiel einweihen, das ich bereits im Teaser erwähnte? Solltet ihr nur deswegen bis hierhin gelesen haben, so muss ich euch leider enttäuschen. Ich werde hier darüber nicht schreiben. Das einzige, das ich diesbezüglich mitteilen kann, und will, ist, dass meiner Erfahrung nach die Problemstellungen, die in der Produktion und in dem Quellroman Cocteaus behandelt werden, weiterhin aktuelle Brisanz in sich haben. Und ich wette, dass die meisten von euch ebenso Erfahrungen mit solchen Querelen gemacht haben. Was uns das sagt? Wahrscheinlich, dass der Kern des Menschen, langfristig gesehen, Probleme damit hat, sich zu ändern, und dass niedere Gelüste allzu gerne die Oberhand gewinnen. Ich lächle derweil einfach über solch ein Verhalten hinweg und bin bisweilen traurig, dass so etwas in unserer Gesellschaft überhaupt erst zur Diskussion steht. Aber ich mache einfach das Beste daraus und bin froh, dass mir selbst solch schwermütiges Laster verborgen bleibt. Dass ich es noch nie in meinem Leben mein Eigen nennen konnte. Und dass ich mich mit Neid und Zwietracht noch nie identifizieren konnte. Das und die Tatsache, dass die Welt voller Menschen ist, die ähnlich ticken, gibt Hoffnung, auch wenn sich dadurch immer wieder ein bestimmter Menschenschlag bedroht fühlen wird. Aber genug jetzt. Das ist selbst mir zu viel Moralapostelei, mir wird schon ganz schlecht…
Ich wünsche euch stattdessen einfach viel Spaß bei der Aufführung, sie ist den Eintrittspreis auf jeden Fall wert.

Fotos: Tommy Hetzel

Zeiten:

25. Juni 2019:
20:00 – 22:00 Uhr
19:30 Uhr Einführung

Preise:

Eintritt: 18,70 €
Ermäßigungen für Studenten etc.

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Schauspiel Köln
Adresse: Außenspielstätte am Offenbachplatz, 50667 Köln
Telefon: 0221 – 221 284 00
Webseite: www.schauspiel.koeln/spielplan/premieren/kinder-der-nacht
KVB:
Linien 3, 4, 5, 16, 18: Appellhofplatz
Linien 1, 3, 4, 7, 9, 16, 18: Neumarkt

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