Von der Realität auf die Bühne

Mit „Living in a Ghost Town“ haben die Rolling Stones den passenden Hit zur Corona-Pandemie geschrieben. Deren Schlagworte vom Leben im Lockdown setzen die Schülerinnen und Schüler der Schauspielschule der Keller in ihrer Abschlussinszenierung in persönliche Erfahrungen und Sichtweisen um. Was sie vom „Living in a Ghost Town“ erzählen, ergibt einen packenden Abend im Theater der Keller.

In der Mitte der ansonsten leeren Bühne reihen sich Stühle, Polstersessel und –sofas (Bühne und Kostüme Johanna Viktoria Fechner) hintereinander. Was könnte man es sich da im Lockdown gemütlich machen, mal richtig ausspannen. Von wegen: Die vier Absolventinnen und die vier Absolventen müssen reden, ihren Frust loswerden, suchen Antworten. Mal still, mal laut schreiend (Dann leider nicht immer ganz verständlich – anders als im übrigen Stück. Der Raum ist allerdings auch eine akustische Herausforderung). Und immer wieder reagieren sie Frust und Wut in wilden Gesten und Tänzen ab.  

Gute und schlechte Entdeckungen im Corona-Koller

Ein buntes Themenpuzzle wird unter der Regie von Volker Schmalöer ausgebreitet: die Maske als Modeaccessoire, und die Mitmenschen, die keine Maske tragen wollen. Die Schwierigkeit, Beziehungen aufrecht zu erhalten. Die Wiederentdeckung der Erotik und der Nachbarschaft – sowohl deren Hilfsbereitschaft als auch deren Partylärm: Soll oder darf man sich beschweren? Das Glück, aus der leeren Stadt zurück zur Natur zu finden – oder zur eigenen Kreativität. Die Anti-Corona-Demonstranten, die Corona-Leugner und ihre Verschwörungstheorien. Die Angst vor einem Leben nach der Pandemie.  

Eigentlich nichts Neues, alles auch dem Publikum irgendwie bekannt. Aber wenn einer still-verzückt erzählt, wie er im Lockdown die Kunst des Wäscheaufhängens entdeckt hat, ist das eine liebevolle Episode von Loriot-Qualität. Die ausführliche Schilderung der Gefühlslage während einer künstlichen Beatmung mit Thoraxdrainage lässt das Publikum ganz ruhig werden (und im Stillen Ohrfeigen an Trump verteilen). Voll bitterem Sarkasmus die Güterabwägung zwischen Jung und Alt.

Acht glänzend aufgelegte Schauspielerinnen und Schauspieler

Nein, nichts Neues. Auch keine Erklärungen, keine Bewertungen, aber vollgepackte, mitreißende, nie langweilige 80 Minuten zwischen schrill und nachdenklich. Das alles ist auch der Spielfreude des gesamten Bühnenensembles zu verdanken. Aus dem glänzend aufgelegten Oktett mit Luis Volkner, Kathrin Selakovic, Paula Schäfer, Merle Peters-Moorhoouse, Anna Marzinzik, Hannes Imdahl und Paul Hofmann ist Jakob Wüllner allein deshalb gesondert zu nennen, weil er sein Team mit Gitarre und Schlagzeug meisterlich unterstützt. Nicht zu vergessen die düsteren Videos von Stefanie Bretschneider.

Fotos: Niklas Berg – Bemerkenswerte Abschlussproduktion der Theaterschule der Keller. 

Zeiten:

20. Oktober 2020:
20:00 Uhr

21. Oktober 2020:
20:00 Uhr

4. November 2020:
20:00 Uhr

6. November 2020:
20:00 Uhr

18. November 2020:
20:00 Uhr

Preise:

Eintritt: 19,80 €

Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:

Theater der Keller e.V.
Adresse: Siegburgerstraße 233w, 50679 Köln
Webseite: www.theater-der-keller.de/index.php/living-in-a-ghost-town-ua
KVB: Linie 7: Poller Kirchweg

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