Diese quietschende Tür. Ich warte vor dem Staatenhaus auf meine Begleitung, mich passieren unentwegt andere Besucher, deren Vorfreude man teils schon in den Gesichtern ablesen kann. Immer, wenn sie den mittleren Eingang nutzen, quietscht die Tür. Besonders auffallend ist der Ton, wenn sie hinter den Leuten langsam zufällt. Ein lang gezogenes Quietschen dringt an mein Ohr. Einmal, zweimal, mehrmals. „Ob das eine Vorahnung ist?“, frage ich mich, denn solch einen Ton kenne ich nur aus Horrorstreifen. Sollte sich mein erster Opernbesuch zu eben jenem entwickeln, zu einem Horrortrip? Ich ahne Schlimmes und nehme noch einen letzten Schluck aus meinem Kaffee. Bloß nicht einschlafen…
Als ich meinen Freunden im Vorfeld erzähle, dass ich in die Oper gehe, lachen sie mich nur aus. „Du und Oper?“, gefolgt von gellendem Gelächter und spitzen Bemerkungen, die wohl nicht unbedingt jugendfrei sind. Ja ja, ist ja gut. Meine Eltern, selbst passionierte Musical-Gänger, raten mir sogar dazu, vorher ein Testament aufzusetzen. Als hätte ich etwas, das ich weitervererben könnte…
Während ich warte, bin ich ziemlich nervös. Denn irgendwie ist Oper für mich immer etwas weit entferntes gewesen, etwas elitäres, zu dem ich eigentlich gar keinen Bezug habe. Das Staatenhaus besitzt selbst als Interimsstätte der ‚Oper Köln‘ ein relatives schickes Ambiente, wie ich feststelle, und irgendwie fühle ich mich gleich zu Beginn ein bisschen fehl am Platze. Immerhin bin ich nicht allzu falsch angezogen, im Gegensatz zu einigen anderen Besuchern vielleicht sogar ein bisschen over-dressed. Weniger wäre auch okay gewesen und das überrascht mich ein wenig. „Das hier ist nicht Bonn oder Düsseldorf, in Köln ist es ein bisschen lockerer“, wurde mir gesagt und ich bin froh, dass ich mich an diesen Ratschlag halten konnte.
Also alles gut. Nach einiger Zeit verfliegt dann meine Nervosität, wozu auch das Stück selbst beiträgt. ‚Manon‘ ist nämlich die Oper über eine junge, wunderhübsche Frau, die sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt, dann aber doch dem Ruf des Geldes erliegt, sich der Bewunderung anderer Männer, der gesamten Gesellschaft, nicht entziehen kann. Aber letzten Endes immer wieder zu dem Einen zurückkommt, um die eine, die wahre Liebe buhlt. Kennt man irgendwoher…
Im vierten Akt singt sie: „Ein Vogel kommt an den Punkt, an dem er seine Freiheit braucht. Doch er wird eines Tages wieder an die Scheibe klopfen.“ Oder so ähnlich. Eine sehr schöne Umschreibung für treuloses Verhalten, wie ich finde, aber sie scheint ihre gewünschte Wirkung zu entfalten. Als der Protagonist ihren Avancen zum wiederholten Male nicht Stand halten kann, würde ich ihm am liebsten eine Backpfeife verpassen. Der Zwischenruf „Bro, tu es nicht! Wir wissen alle, wie es ausgeht“ liegt mir auf der Zunge, aber ich halte mich zurück. Das ist sicher nicht das Publikum, bei dem so etwas gut ankommt. Lustig wäre es aber allemal, gemäß meinem Humor zumindest.
Vielleicht lag es im Nachhinein daran, dass ich mich zu Teilen mit dem Stück identifizieren konnte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass das Stück auf eine moderne Art und Weise aufgezogen wurde. Aber es hat mich mitgerissen, ich folgte dem Gesang ebenso wie dem phänomenalen Spiel des Orchesters und tauchte vollends in die spektakuläre Bühnenpräsentation ein. Da sich die Geschichte meines Erachtens nach an einigen Stellen in die Länge zog, wäre ich zwar manchmal fast weg genickt, aber das schreibe ich jetzt, beim Verfassen dieser Zeilen, den letzten Wochen und der Tatsache zu, dass ich derzeit kaum zur Ruhe komme.
Den beizeiten zufallenden Augenlidern zum Trotz, so war es mir aber dennoch möglich, und ich bin froh darüber, die gesamte Geschichte des Stückes zu verfolgen, auch wenn das Hin und Her zwischen Bühne und Übersetzungsbildschirm (es wird auf französisch gesungen) mich manchmal nervte. Doch darüber konnte ich hinweg sehen, denn das Stück war im Großen und Ganzen witzig, es war spannend, obwohl berechenbar, und die Musik war einfach toll. Mein erster Opernbesuch und ich war begeistert? Das hätte ich weiß Gott nicht erwartet.
Leider war die Vorstellung, bei der ich war, die erstmals letzte von ‚Manon‘, die in der ‚Oper Köln‘ stattfand. Aber sollte das Stück in der Zukunft zurückkommen, ich würde es mir gerne noch einmal ansehen. Und dass ich diesen Satz, vor diesem Kontext, überhaupt denke und schreibe, das überrascht mich selbst. Entsprechend kann ich es nur weiterempfehlen, gerade für Opern-Neulinge scheint dies ein guter Einstieg zu sein. Nur die 18 Euro für zwei Weißweine und zwei Laugenstangen, die hätte ich mir sparen können. Aber das gehört wohl dazu.
Chapeau!
Fotos: Bernd Uhlig