In den letzten Monaten durfte ich mir des Öfteren von einer bestimmten Person anhören, dass ich ja kein Mann sei. Okaay. Danke. Obwohl ich die psychologische Ebene hinter dieser Aussage durchaus verstanden habe, so habe ich mich dennoch immer wieder gefragt, was denn genau ein Mann ist. Oder sein soll. Wie muss er sich verhalten? Was muss er mögen? Was nicht? Welche Penisgröße sollte er sein Eigen nennen? Und gibt es wirklich Männer, die keine Männer sind? Wie ist der Begriff der Männlichkeit definiert und was muss man machen, um diesem gerecht zu werden? Um diesen Fragen weiter auf den Grund zu gehen, habe ich mir die Lecture-Performance „Mansplaining“ in der studiobühneköln angeschaut, die Klärung auf jene Fragen gibt, beziehungsweise es versucht. Konnte sie mir helfen, Männlichkeit besser zu verstehen? Und, jetzt mal im Ernst, bin ich wirklich kein Mann?
In der heutigen Zeit mag es beizeiten schwierig sein, passende gender-typische Aussagen zu treffen. Die Grenzen zwischen den Geschlechtern scheinen zu verwischen, sie weichen auf und Sexualität wird immer mehr zur Interpretationssache. Gerade im Rahmen der Emanzipation (ein Begriff, den ich wahrlich nicht leiden kann, da er impliziert, dass diese überhaupt notwendig ist) ist der Männlichkeitsbegriff einer starken Prüfung unterzogen worden und in einem, man mag manchmal meinen mannigfaltigen, Ausmaß hinterfragt worden. Männer, die verstärkt auf ihre Männlichkeit pochen, ploppen ebenso aus allen Löchern wie Frauen, die Männern ihre Männlichkeit absprechen wollen. Doch ist es wirklich so einfach?
Die Produktion „Mansplaining“ nimmt sich diesen Umstand zur Brust (hoho) und spielt mit den Begriffen „Mann“ und „Männlichkeit“, nimmt sie auf die Schippe und versucht zu erörtern, was genau Mannsein bedeutet. Durch die Darstellung männlicher Rituale, wie beispielsweise einem allzu gespreiztem Sitzverhalten, in dem ich mich auch selbst wiedergefunden habe, durch die direkte und indirekte Interaktion mit dem Publikum sowie durch das Auseinanderpflücken beider Begriffe, erreicht die Performance einen Zustand, der das Mannsein manchmal lächerlich wirken lässt, manchmal als stark und manchmal als ganz normal hinstellt. Performative Handlungen, die die Vermischung intersexueller Gepflogenheiten zelebrieren oder die auf ironische Art und Weise die Zurschaustellung eines übertriebenen Männlichkeitsgefühls darstellen, sie alle zielen in eine Richtung: Nämlich dass die Begriffe „Mann“ und „Männlichkeit“ nicht unbedingt gleichgestellt sind. Und es auch nicht sein müssen. Dass dieses Konstrukt, das gesellschaftlich vorgegeben ist und gewisse Erwartungen an Männer und an männliches Verhalten stellt, zwangsläufig nicht mehr zeitgemäß ist und einer Neuinterpretation bedarf. Und dass ein allzu stark ausgeprägtes Männlichkeitsempfinden und alle damit einhergehenden männlichen Verhaltensweisen in den meisten Fällen nur eines sind, lächerlich.
Dem kann man zustimmen, muss man aber nicht. Aber zumindest sollte man darüber nachdenken und gegebenenfalls auf gesellschaftliche Zustände transportieren. Ist eine Männlichkeit, wie sie im Mittelalter gelebt wurde, wirklich noch nötig? Und führt eine zu strenge Auslegung dessen nicht zwangsläufig zu Gegenteiligem: zu einem Verlust der Männlichkeit?
Gott sei Dank gibt die Performance genügend Definitionen, was Mannsein nach heutigen Standards bedeutet, auch wenn sie vielleicht ziemlich altbacken sind. Doch wie sollte es auch schon eine neuartige Definition dessen geben, wenn sich der Begriff gerade erst im Wandel befindet? Und konnte ich mich selbst in den Definitionen wiederfinden und meine eigene Hinterfragung der Begrifflichkeiten aufklären? Die Performance zumindest, sie sagt: Ein Mann geht ins Fitnessstudio. Oops. Ein Mann ist stark. Hmmm. Ein Mann zeigt keine Gefühle. Oops. Ein Mann hat Sex. Check. Ein Mann geht oben ohne aus dem Haus. Oops.
Also, was nun? Wie genau muss sich ein Mann denn nun verhalten, um männlich zu sein? Und bin ich nun ein Mann, oder nicht? Eine Antwort auf meine Frage hatte ich also noch immer nicht gefunden. Aber die Performance hat mir einige interessante Denkansätze mit auf den Weg gegeben. Vielleicht sollte ein Mann ja einfach nur er selbst sein, und keinen Gedanken an die Männlichkeit selbst verschwenden. Mit sich selbst im Reinen sein. Ist das nicht männlich genug? Die zumindest, die zu jeder Zeit lautstark nach Männlichkeit schreien, die sind meist die ärmsten Männlein. Und das, das hat die Produktion perfekt gezeigt. Mansome!
Fotos: Ingo Solms
Zeiten:
erstmal keine Aufführungen mehr!
Preise:
regulärer Eintritt: 15,00 €
ermäßigt: 7,00 €
Eintritt für alle Erstis der Universität zu Köln frei!
Kontaktdaten und Anfahrtsbeschreibung:
studiobühneköln
Adresse: Universitätsstraße 16a, 50937 Köln
Telefon: 0221 – 470 45 13
Webseite:
www.studiobuehnekoeln.de/programm/
theater/mansplaining
KVB: Linie 9: Universität